Leitsatz (amtlich)
Die Auslegung fremdsprachlicher Vertragsbindungen unterliegt ausschließlich dem Gericht. Dieses kann sich über die allein am Wortlaut orientierte Übersetzung eines Dolmetschers hinwegsetzen, wenn das die teleologische Auslegung gebietet und diese mit dem fremdsprachlichen Text (noch) vereinbar ist.
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 23.11.2005; Aktenzeichen 40 O 35/04 KfH) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Vorsitzenden der 40. Kammer für Handelssachen des LG Stuttgart vom 23.11.2005 - AZ.: 40 O 35/04 KfH - wie folgt abgeändert:
Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Beklagte vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklage zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 25.564,59 EUR.
Gründe
I. Die Klägerin, eine in Perm/Russland ansässige Kommanditgesellschaft, verlangt von der Beklagten, einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen GmbH, Rückzahlung einer am 15.9.1997 von der Klägerin an die Beklagte entrichteten Kaufpreisanzahlung von 25.564,59 EUR (DM 50.000) aufgrund eines zwischen den Parteien am 29.8.1997 in russischer und englischer Sprache abgeschlossenen Kaufvertrages (Nr. 13/1/97). Dort verpflichtete sich die Beklagte, an die Klägerin eine von der Firma V. produzierte Maschine zur Herstellung von Erfrischungstüchern für den medizinischen Bereich zum Gesamtkaufpreis von 132.000 DM zu liefern. Der Vertrag hatte eine Gültigkeitsdauer bis 31.12.1997. Nr. 8 des Vertrages enthielt eine Schiedsgerichtsklausel, deren englische Fassung wie folgt lautet:
"8. Arbitration
The seller and the Buyer, hereinafter referred to a Parties, will take measures to settle amicably all disputes and differences which may arise under the present Contract or in connection with it. If Parties cannot agree upon an amicable settlement then all disputies and defferences are to be submitted without resourse to the ordinary court to Stockholm, Sweden.
The Award of the arbitration Commission will be final and bindin(g) upon both Parties."
Nach Vertragsschluss gab es zwischen den Parteien Meinungsverschiedenheiten über einen eventuellen Mangel der Maschine. Es kam zu Vertragsverlängerungen. Wegen Nichtzahlung des Restkaufpreises erfolgte keine Lieferung durch die Beklagte. Vielmehr veräußerte sie die Maschine nach ihrem Vortrag letztlich an einen anderen Käufer unter Aufrechterhaltung ihrer Lieferbereitschaft einer gleichen Maschine. Nach mündlichen Gesprächen der Parteien Anfang 1999 kam es zu zwei weiteren schriftlichen Verträgen der Parteien am 1.2./3.2.1999 (Originalverträge nach Bl. 177, Übersetzung K. 4) mit gleich lautender Schiedsgerichtsklausel (Nr. 8 bzw. Nr. 5 der Verträge).
Die Klägerin hat vorgetragen, mit dem einen der beiden Verträge sei ein neuer Kaufvertrag geschlossen worden (mit der Überschrift Additional Agreement Nr. 1 to the Contract Nr. 13-1/97), nunmehr über eine gebrauchte Erfrischungstücherherstellungsmaschine zum Kaufpreis von 50.000 DM, die durch ihre Anzahlung vom 15.9.1997 bereits voll bezahlt gewesen sei. Die Lieferung habe zum 3.3.1999 erfolgen sollen.
Mit dem zweiten Vertrag hätten die Parteien einen Dienstleistungsvertrag vom 3.2.1999 für technische Arbeiten, Verpackungsservice etc. gegen Zahlung von 82.000 DM, zahlbar in monatlichen Raten von 5.000 DM, erstmals am 25.3.1999, geschlossen.
Da die Beklagte entgegen ihrer in Nr. 9 des Gebrauchtkaufvertrags bestimmten Lieferfrist nicht fristgemäß die Maschine nach Perm geliefert habe, sei sie zur Rückzahlung der Anzahlung/des Kaufpreises von 50.000 DM verpflichtet.
Die Schiedsgerichtsklausel sei unwirksam, weil inhaltlich zu unbestimmt. Insbesondere sei unklar, auf welche Rechtsstreitigkeiten sie sich beziehe und welches der in Stockholm ansässigen Schiedsgerichte bzw. dortigen ordentlichen Gerichte zuständig sein sollten. Daher sei das LG Stuttgart zuständig.
Die Beklagte erhob vor Klagerwiderung bereits mit Schriftsatz vom 17.2.2004 die Einrede der Schiedsvereinbarung. Zumindest aus der hier maßgeblichen englischen Vertragsfassung ergebe sich hinreichend bestimmt, dass die Parteien zur Beilegung aller Streitigkeiten und Meinungsverschiedenheiten unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs das Schiedsgericht in Stockholm, Schweden vereinbart hätten. Damit sei das internationale Schiedsgericht "Arbitration Institute of the Stockholm Chamber of Commerce" gemeint gewesen. Im Übrigen habe es sich bei den zusätzlichen Verträgen 1999 um Scheinverträge gehandelt, die dazu dienten, innerrussische Zollbestimmungen durch Aufteilung des Gesamtkaufpreises von 132.000 DM in einen Teilbetrag von 50.000 DM und in einen weiteren von 82.000 DM für angebliche Dienstleistungen zu umgehen. Nach dem vereinbarten Parteiwillen sei es immer bei ihrer Verpflichtung gebliebe...