Verfahrensgang
LG Heilbronn (Aktenzeichen 1 O 65/22) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 14.02.2023, Az. 1 O 65/22, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Heilbronn ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung im Kostenpunkt durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 337.216,41 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten über Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen eines behaupteten Impfschadens nach einer Corona-Impfung.
1. Die Klägerin absolvierte in einer Pflegeeinrichtung in ... eine Ausbildung zur Kranken- und Altenpflegerin. Die Beklagte impfte die Klägerin in der Pflegeeinrichtung "..." in ... mit dem Impfstoff des Unternehmens BioNTech/Pfizer (Comirnaty) gegen COVID-19.
Die dortige Pflegedienstleiterin hatte der Klägerin am 21.12.2020 ein vom Deutschen Grünen Kreuz in Kooperation mit dem Robert-Koch-Institut (RKI) erstelltes "Aufklärungsmerkblatt Zur Schutzimpfung gegen COVID-19 [...] - mit mRNA-Impfstoff - Stand: 09. Dezember 2020" mit dazugehörigem Anamnesebogen ausgehändigt (Anlage B1, Anlagenheft Beklagte). Die Klägerin füllte diese Unterlagen am selben Tag aus, unterschrieb sie und reichte sie zurück. Auf dem Anamnesebogen beantwortete die Klägerin alle Fragen mit "nein" und kreuzte folgende Optionen an:
- Ich habe keine weiteren Fragen.
- Ich willige in die vorgeschlagene Impfung gegen COVID-19 mit mRNA-Impfstoff ein.
Folgende Optionen kreuzte sie dagegen nicht an:
- Ich lehne die Impfung ab.
- Ich verzichte ausdrücklich auf das ärztliche Aufklärungsgespräch.
Nach Weihnachten 2020 hatte die Klägerin etwa eine Woche Urlaub. Am 05.01.2021 fand in der Pflegeeinrichtung eine vorbereitende Informationsveranstaltung der Beklagten über die Impfungen statt, an der die Klägerin nicht teilnahm. Im Vorfeld der Veranstaltung kam es zu einem Telefonat zwischen der Klägerin und der Pflegedienstleiterin, der Zeugin ....
Die erste Corona-Impfung der Klägerin durch die Beklagte erfolgte am 16.01.2021, die zweite am 06.02.2021. Jeweils unmittelbar vor den Impfungen wurde der Klägerin der durch sie bereits ausgefüllte Aufklärungsbogen wieder ausgehändigt, den sie sodann zur jeweiligen Impfung mitbrachte. Die Klägerin richtete bei den beiden Impfterminen keine weiteren Fragen an die Beklagte.
Vom 07. bis zum 11.02.2021 befand sich die Klägerin in stationärer Behandlung im ...Klinikum in .... Dort wurden Untersuchungen durchgeführt und folgende Diagnosen gestellt: "Verdacht auf Impfreaktion bei unmittelbar vorausgehender Vakzinierung mit Comirnaty, COVID-19-mRNAImpfstoff [...] / klinisch mit geringgradiger, sensomotorischer Hemiparese links und geringer Gangunsicherheit / vom Verteilungsmuster am ehesten einer Läsion des cervikalen Myelons zuzuordnen/ohne Nachweis im MRT / therapeutisch über 3 Tage jeweils 1000 mg Methylprednisolon" (Entlassbericht vom 11.02.2021, Anlage K1, Anlagenheft Klägerin). Das ...Klinikum machte eine Meldung an das Gesundheitsamt sowie das Paul-Ehrlich-Institut und verschrieb der Klägerin Vitamin D.
Am 22.02.2021 stellte sich die Klägerin auf Veranlassung ihrer Hausärztin bei der Fachärztin für Neurologie ... vor. Diese verschrieb der Klägerin, bei der eine Medikation mit Novalgin bestand, das Medikament Pregabador. Im Arztbrief von Frau ... (Anlage K7, Bl. 11 f. Anlagenheft Klägerin) ist festgehalten, dass zum Zeitpunkt der ambulanten Untersuchung am 22.02.2021 "kein sicheres fokal-neurologisches Defizit nachgewiesen werden" konnte. Im Verlauf der dreitägigen hochdosierten Glukokortikoidpulstherapie habe sich "eine komplette Rückbildung der [...] aufgetretene[n] dezente[n] linksseitige[n] Hemisymptomatik" gezeigt. Außerdem ist ausgeführt:
"Zusammenfassend trat die dezente, linksseitige Hemisymptomatik im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Verabreichung von der Comirnaty-lmpfung auf. Somit könnte ein zeitlicher Zusammenhang mit der Impfung gesehen werden, ein sicherer organpathologischer Befund bis auf dezente linksseitige Hemisymptomatik ließ sich nicht sicher nachweisen. Somit ist die Frage eines ursächlichen Zusammenhangs nicht mit endgültiger Sicherheit zu beantworten, jedoch als sehr wahrscheinlich anzusehen."
Ebenfalls am 22.02.2021 wurde bei der Klägerin in der Radiologie ... eine Computertomographie mit folgendem Ergebnis durchgeführt: "Altersentsprechendes cCT nativ, kein Nachweis einer intrakraniellen Blutung" (Anlage K8, Bl. 13 Anlagenheft Klägerin).
In der Folgezeit war die Klägerin bei verschiedenen Ärzten und Kliniken sowie in einer Reha-Einrichtung in Behandlung. Das Vorliegen eines Impfschadens wurde unterschiedlich beurteilt. Die Hausärztin s...