Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 28.07.2023; Aktenzeichen 18 O 412/20) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 28.07.2023, Az. 18 O 412/20, abgeändert und die Klage, soweit sie nach Ziff. 1 des genannten Urteils wegen der Zinsen Erfolg hatte, abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.
3. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis 12.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 313a Abs. 1, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung ist begründet. Die Beklagte durfte auf die Vorlage der von ihr verlangten Unterlagen bestehen.
1. Verzugszinsen gemäß §§ 7, 17, 18 StVG i.V.m. 115 VVG, 116 SGB V, 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte nach Forderungsübergang für die streitgegenständlichen Unfallschäden (88-jähriger Geschädigter F., mit Rollator unterwegs, wurde von Kfz angefahren und schwer verletzt) aufzukommen hat. Insofern wurde ein Teilanerkenntnisurteil über 60.692,30 EUR am 27.04.2023 erlassen (Bl. 417 der Akten). Streitig sind noch die Verzugszinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 60.692,30 EUR seit dem 22.12.2019 (vgl. Urteil vom 26.07.2023, Bl. 449 der Akten und Berichtigungsbeschluss vom 27.09.2021, Bl. 458 der Akten).
Nach den §§ 280 Abs. 1, Abs. 2 286 Abs. 1 S. 1 BGB, kommt der Schuldner in Verzug, wenn er auf eine Mahnung des Gläubigers, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, nicht leistet. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich (§ 286 Abs. 1 S. 2 BGB).
a. Fälligkeit der Forderung
Die übergegangenen Ansprüche des Geschädigten F. sind sofort mit der Verletzung am Unfalltag fällig geworden. Auf eine spätere Klärung der Berechtigung der Ansprüche kommt es nicht an.
Der Begriff der Fälligkeit bezeichnet den Zeitpunkt, von dem an der Gläubiger die Leistung verlangen kann. Ist eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen, kann der Gläubiger die Leistung sofort verlangen (§ 271 Abs. 1 BGB). Kann der Geschädigte wegen Beschädigung einer Sache Wiederherstellung (§ 249 Abs. 1 BGB) oder den dazu erforderlichen Geldbetrag (§ 249 Abs. 2 S. 1 BGB) verlangen, tritt die Fälligkeit in der Regel sofort im Zeitpunkt der Rechtsgutsverletzung ein. Das gilt auch dann, wenn der Schadensersatzanspruch zwischen der Geschädigten- und der Schädigerseite streitig ist und seine Berechtigung in einem möglicherweise lang dauernden Verfahren geklärt werden muss, soweit er sich (später) als gerechtfertigt erweist (BGH, Urteil vom 28.05.2020, III ZR 138/19, NJW-RR 2020, 970 Rn. 26 m.w.N.). Anderes gilt auch nicht für Personenschäden (vgl. Jauernig/Stadler, 19. Aufl., BGB § 271 Rn. 14: in allen Fällen des § 249 Abs. 1 und 2 BGB; vgl. im Zusammenhang mit dem Übergang von Forderungen wie hier gemäß § 116 SGB V auch: BGH, Urteil vom 07.12.2021, VI ZR 1189/20, Rn. 19, zitiert nach Juris).
b. Mahnung und Zustellung der Klage
Die Beklagte wurde mit Schreiben vom 19.12.2019 zur Zahlung von 55.057,76 EUR gemahnt (Bl. 54 der Akten). Mit Schreiben vom 20.12.19 hat die Beklagte die Leistung abgelehnt (Bl. 55 der Akten). Nachdem die Beklagte allerdings schrieb, dass es "im Moment" bei den bisherigen Zahlungen verbleibe, hat sie weitere Zahlungen nicht ernsthaft und endgültig verweigert. Aus dem Schreiben geht vielmehr hervor, dass sie weitere Unterlagen angefordert hat. Der gesamte Betrag wurde dann durch Klagezustellung am 20.11.2020 (nach Blatt 69 der Akten) rechtshängig.
c. Nichtvertretenmüssen der Nichtleistung gemäß § 286 Abs. 4 BGB
Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstandes unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat (§ 286 Abs. 4 BGB).
Der Schuldner kommt nicht in Verzug, wenn er an der Leistung durch eine nicht zu vertretende Ungewissheit über das Bestehen und den Umfang der gesicherten Forderung gehindert ist (BGH, Urteil vom 10.02.2011, VII ZR 53/10, NJW 2011, 2120 Rn. 16 m.w.N.). Ob den Eintritt des Verzugs hindernde Umstände gegeben sind, unterliegt der Beurteilung im Einzelfall (BGH, a.a.O. Rn. 16).
Bezüglich der Leistungspflichten eines Versicherers wird dem Versicherer etwa eine angemessene Prüffrist (in der Regel 2-6 Wochen) zuerkannt. Zudem scheint weitgehend anerkannt, dass eine schuldhafte Nichtleistung so lange nicht anzunehmen ist, als der Versicherer erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Behauptungen der Gegenseite haben darf (BeckOGK/Dornis, 1.10.2022, BGB § 286 Rn. 268.2 m.w.N.). Letzteres bezieht sich etwa auf möglicherweise zweifelhafte angebliche Verkehrsunfälle (vgl. etwa BGH, Urteil vom 20.11.1990 - IV ZR 202/89, r + s 1991, 37; MüKoBGB/Ernst, 9. Aufl., BGB § 286 Rn. 140 m.w.N.). Unter § 286 Abs. 4 BGB ließe sich letztlich auch die Zurückhaltung d...