Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen einer einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung
Leitsatz (amtlich)
Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung setzt nicht voraus, dass für den Antragsteller im Hauptverfahren (hier: Abänderungsklage nach § 323 ZPO) überwiegende Erfolgsaussichten bestehen. Es ist vielmehr an der herrschenden Meinung in Kommentarliteratur und obergerichtlicher Rechtsprechung festzuhalten, wonach diese Erfolgsaussichten bei der Einstellungsentscheidung zwar zu berücksichtigen sind, die einstweilige Einstellung aber nur dann von vornherein ausgeschlossen ist, wenn solche Erfolgsaussichten völlig fehlen.
Normenkette
ZPO §§ 323, 769
Verfahrensgang
AG Ludwigshafen (Aktenzeichen 5d F 251/01) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde wird der angefochtene Beschluss aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das AG zurückverwiesen.
2. Der Beschwerdewert wird auf 5803,20 DM festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde erzielt in der Sache einen vorläufigen Erfolg. Nach vom Senat in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung und in ständiger Rechtsprechung vertretener Auffassung führt zwar die gegen Entscheidungen über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 769 ZPO (hier: i.V.m. § 323 ZPO) gerichtete sofortige Beschwerde nur zu einer inhaltlich eingeschränkten Überprüfung. Die Beschwerde hat nur dann Erfolg, wenn vorinstanzlich Ermessensfehler begangen wurden oder sonst eine greifbar gesetzwidrige Entscheidung getroffen ist (vgl. statt aller: Zöller, ZPO, 22. Aufl., § 769 Rz. 13).
Ein solcher Fall ist hier aber gegeben. Das FamG hat angenommen, Voraussetzung für die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung sei die Feststellung überwiegender Erfolgsaussichten der Abänderungsklage. Damit ist ein unzutreffender Maßstab angelegt.
Der Erstrichter befindet sich mit der von ihm vertretenen Auffassung zwar im Einklang mit dem OLG Karlsruhe, Beschl. v. 11.8.1998 – 2 WF 76/98, FamRZ 1999, 1000 [1001]) und der Kommentierung von Zöller/Herget, (ZPO, 22. Aufl., § 769 Rz. 6); dieser kann sich allerdings zum Beleg nur auf das OLG Karlsruhe, Beschl. v. 11.8.1998 – 2 WF 76/98, stützen und nicht auch auf die von ihm weiter genannten Entscheidungen des KG (KG Berlin v. 22.11.1994 – 5 W 7545/94, KGReport 1995, 17 = NJW 1995, 1035) und des OLG Zweibrücken (5. Zivilsenat; OLG Zweibrücken v. 26.1.1987 – 5 WF 63–64/86, FamRZ 1987, 820 [821]); die letztgenannte Fundstelle hat auch der Erstrichter unrichtigerweise zum Beleg seiner Auffassung angeführt.
Diese beiden Entscheidungen entsprechen vielmehr der ganz herrschenden Meinung in Kommentarliteratur in obergerichtlicher Rechtsprechung, die auch vom Senat ständig vertreten wird. Danach sind die Erfolgsaussichten im Hauptverfahren zwar bei der – nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffenden – Entscheidung über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung selbstverständlich zu berücksichtigen. Die Einstellung ist dabei aber nur dann von vornherein ausgeschlossen, wenn die Erfolgsaussichten völlig fehlen, während es i.Ü. auf die gegenseitige Abwägung der Schutzbedürfnisse von Gläubiger und Schuldner ankommt (vgl. Wieczorek-Schütze/ZPO, 3. Aufl., § 769 Rz. 17; Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl., § 769 Rz. 11, § 707 Rz. 5; MK-ZPO 2. Aufl., § 769 Rz. 16; Musielak, ZPO, 2. Aufl., § 769 Rz. 3, § 707 Rz. 7; Baumbach u.a., ZPO 59. Aufl., § 769 Rz. 6; Thomas-Putzo/ZPO, 23. Aufl., § 769 Rz. 8; Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 2. Aufl., § 769 Rz. 8; sowie aus der Rspr. neben KG Berlin v. 22.11.1994 – 5 WF 7545/94, KGReport 1995, 17 = NJW 1995, 1035 und OLG Zweibrücken v. 26.1.1987 – 5 WF 63–64/86, OLG Hamburg FamRZ 1995, 745; OLG Köln v. 8.9.1986 – 2 U 79/86, NJW-RR 1987, 189; OLG Stuttgart DAVorm. 1985, 716; OLG Schleswig SchlHA 1977, 204).
Der Senat sieht auch künftig keinen Anlass, von dieser herrschenden Meinung abzuweichen. Die vom Erstrichter vertretene Auffassung würde zu einer erheblichen Einschränkung der Möglichkeit einer einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung führen. Diese wäre in den meisten Fällen schon dann ausgeschlossen, wenn im Hauptverfahren eine Beweisaufnahme erforderlich ist; anders wäre es nur dann, wenn im Rahmen einer – grundsätzlich zulässigen (vgl. nur Musielak, ZPO, 2. Aufl., § 707 Rz. 7) – vorweggenommenen Beweiswürdigung eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für den Ausgang der Beweisaufnahme in der einen oder anderen Richtung angenommen werden könnte. Dagegen ermöglicht die herrschende Meinung eine flexible Handhabung nach Abwägung des beiderseitigen Schutzbedürfnisses, in die selbstverständlich auch das etwa festzustellende Ausmaß der jeweiligen Erfolgsaussichten einzufließen hat.
Die angefochtene Entscheidung entbehrt nach alledem aus der Sicht des Senats einer hinreichenden Grundlage und kann daher nicht bestätigt werden. Für eine Einschränkung des Ermessensspielraums dahin gehend, dass nur eine einzige Entscheidung in de...