Entscheidungsstichwort (Thema)
Vereinbarkeit des Finanzierungssystems zur Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersvorsorge mit Art. 14 Abs. 1 GG. Prüfung eines Eingriffs in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie durch die außergewöhnlich hohe Steigerung des Beitragssatzes im Beitragsjahr 2009
Leitsatz (amtlich)
Das Finanzierungssystem zur Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersvorsorge verstößt nicht gegen Artikel 14 Abs. 1 GG. Der Schutzbereich der Eigentumsgarantie wird auch durch die außergewöhnlich hohe Steigerung des Beitragssatzes im Beitragsjahr 2009 nicht berührt.
Die Ermächtigung zur Beitragserhebung greift nicht in den Schutzbereich des Artikels 12 Abs. 1 GG ein. Sie hat keine berufsregelnde Tendenz.
Die Regelung unterschiedlicher Beitragssätze für Pensionsfonds und Direktzusagen mit privatrechtlichen Sicherungsabreden (CTA-Modelle und ähnliche Vertragsgestaltungen) verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Artikel 3 Abs. 1 GG.
Die Anknüpfung der Beitragserhebung an Erklärungen der beitragspflichtigen Arbeitgeber verletzt nicht das Lastenausgleichsprinzip aus Artikel 3 Abs. 1 GG.
Die Beitragserhebung verstößt nicht gegen gemeinschaftsrechtliche Vorgaben aus Artikel 102 AEUV oder Artikel 56 AEUV. Der Pensions-Sicherungs-Verein ist kein Unternehmen im Sinne des Artikels 102 AEUV. Das Insolvenzsicherungssystem der betrieblichen Altersvorsorge beruht auf dem Grundsatz der Solidarität und entspricht zwingenden Gründen des Allgemeinwohls.
Die Entscheidung des Pensions-Sicherungs-Vereins, für das Beitragsjahr 2009 von einer Heranziehung des Ausgleichsfonds abzusehen, ist nicht ermessensfehlerhaft.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1; AEUV Art. 56, 102
Verfahrensgang
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 9. September 2011 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit des von dem Beklagten erlassenen Beitragsbescheids 2009 für die Insolvenzsicherung der betrieblichen Alters-vorsorge.
Der Beklagte, ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, ist nach dem Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersvorsorge (Betriebsrentengesetz) – BetrAVG – gesetzlicher Träger der Insolvenzsicherung in der Bundesrepublik Deutschland und – auf der Grundlage eines völkerrechtlichen Vertrages – im Großherzogtum Luxemburg für den Fall der Insolvenz eines Arbeitgebers. Die Mittel für die Durchführung der Insolvenzsicherung werden durch Beiträge aller Arbeitgeber aufgebracht, die Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge in Form von unmittelbaren Versorgungszusagen (Direktzusagen) bzw. der Inanspruchnahme von Unterstützungskassen, Pensionsfonds sowie Direktversicherungen, soweit ein widerrufliches Bezugsrecht besteht oder bei unwiderruflichem Bezugsrecht die Ansprüche abgetreten, verpfändet oder beliehen sind, gewähren. Insolvenzgeschützte Versorgungsleistungen durch Pensionskassen und sonstige Direktversicherungen sind demgegenüber beitragsfrei. Bei einer Absicherung durch Pensionsfonds ist die Beitragspflicht gemindert.
Um die Insolvenzsicherung zu finanzieren, besteht eine öffentlich-rechtliche Beitragspflicht. Dabei wurde das Finanzierungssystem des Beklagten 2006 vom Rentenwertumlageverfahren auf eine vollständige Kapitaldeckung umgestellt. Die Höhe der jährlich durch den jeweiligen Arbeitgeber zu erbringenden Beitragsleistung errechnet sich aus dem Wert der individuell gesicherten Versorgungsansprüche und unverfallbaren Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung (sog. Beitragsbemessungsgrundlage) einerseits und aus dem Beitragssatz andererseits, der sich wiederum nach der Anzahl der im Beitragsjahr eingetretenen Schadensfälle (Insolvenzen) richtet.
Um Ausschläge der Beitragssätze nach oben abzumildern, steht seit 2006 eine Glättungsregelung zur Verfügung, wonach ein Teil der jährlichen Beiträge auf das laufende und die vier Folgejahre verteilt werden kann. Außerdem ist es unter bestimmten Voraussetzungen zulässig, zur Beitragsermäßigung einen Ausgleichsfonds heranzuziehen. Der Beitragssatz 1ag zwischen 1975 (Beginn des Geschäftsbetriebs) und 2008 mit Ausnahme von 1982 – zum Teil deutlich – unter 5 Promille (1975: 1,5 ‰, 1982 Insolvenz AEG]: 6,9 ‰, 1993Stahljahr]: 3,1 ‰, 1996Insolvenz Werften]: 2,8 ‰, 2002Insolvenz Babcock, Philipp-Holzmann]: 4,5 ‰, 2007: 3,0 ‰, 2008: 1,8 ‰).
Die Klägerin, ein Unternehmen der Immobilienbranche mit Sitz in M., gewährt ihren Mitarbeitern eine betriebliche Altersvorsorge im Durchführungsweg der Direktzusage. Nach einem zur Ermittlung der Beitragsbemessungsgrundlage für 2009 am 19. August 2009 abgesandten Erhebungsbogen bestanden zum maßgebenden Bilanzstichtag 2008 Pensionsverpflichtungen in Höhe von 744.508,00 EUR (401.587,00 EUR laufende Leistungen für 12 und 342.92...