Leitsatz (amtlich)
1. Die Sparkasse ist zur fristlosen Kündigung der gesamten Geschäftsbeziehung insbesondere dann berechtigt, wenn gegen den Kunden im Rahmen einer von Dritten eingeleiteten Zwangsvollstreckung Haftbefehl zur Erzwingung der Abgabe der Vermögensauskunft erlassen wird.
2. Beim Nachschieben von Gründen kommt es auf deren Vorliegen im Zeitpunkt der (fristlosen) Kündigungserklärung, nicht im Zeitpunkt des Nachschiebens an.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Aktenzeichen 1 O 146/14) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 15.09.2017 (Aktenzeichen 1 O 146/14) wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3. Das Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der am XX.XX.XXXX geborene Kläger unterhielt mit der beklagten Sparkasse in der Vergangenheit mehrjährige Geschäftsbeziehungen, unter anderem in Form zweier Girokonten mit unbefristet gewährten Dispositionskrediten sowie eines Darlehens. Sicherheiten zu Gunsten der Beklagten bestanden nicht. Auf Grund einer sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Negativentwicklung, in deren Rahmen sich die Sollstände der Girokonten sowie die Ratenrückstände des Darlehens mangels ausreichend eingehender Guthaben kontinuierlich erhöhten, befanden sich das Girokonto Nr. XXXXXXXXXX zum 08.05.2014 mit einem Betrag von 20.833,15 EUR und das Girokonto Nr. XXXXXXXXXX mit einem Betrag von 11.459,37 EUR im Soll. Das Darlehen NrXXXXXXXXXX wies in diesem Zeitpunkt einen Sollstand von 40.241,29 EUR auf, wobei in diesem Betrag Ratenrückstände in Höhe von 8.852,23 EUR enthalten waren.
Der Kläger war auf der Grundlage eines Medienberatervertrags vom 05.03.2014 als selbständiger Handelsvertreter auf Provisionsbasis für die Firma ... pp. GmbH (im Folgenden: ... pp.) tätig. Ab April 2014 ging er seiner Erwerbstätigkeit nicht mehr nach. Mit Datum vom 16.04.2014 ging auf einem der Girokonten des Klägers eine Provision für den Abrechnungsmonat März 2014 in Höhe von 5.474 EUR ein, die nicht an den Kläger ausgezahlt, sondern mit dem Sollsaldo verrechnet wurde. Die ... pp. GmbH kündigte mit Schreiben vom 17.07.2014 den Vertrag mit dem Kläger zum 31.08.2014.
Der zuständige Mitarbeiter T. H. der Beklagten teilte dem Kläger mit E-Mail vom 06.05.2014 mit:
"... Sie werden nach Rücksprache mit unseren internen Abteilungen im Laufe der Woche ein Schreiben erhalten. Darin werden Sie aufgefordert, die Kontostände und Rückstände auszugleichen. Sollte dies nicht bis Ende Mai geschehen sein, wird die Geschäftsverbindung gekündigt.
Von daher werden Sie keine Rückrufe erhalten. Es werden ab sofort auch keine Überweisungen vorgenommen. ...".
Mit Schreiben der Beklagten vom 08.05.2014 wurde der Kläger aufgefordert, seine Sollstände bis spätestens 23.05.2014 auszugleichen. Außerdem wurde er darüber unterrichtet, dass seine Dispositionskredite sowie seine Sparkassenkarten gelöscht wurden. In diesem Zeitpunkt war gegen den Kläger beim Amtsgericht Saarbrücken unter dem Aktenzeichen XXX X XXX/XX ein von Seiten eines Dritten eingeleitetes Zwangsvollstreckungsverfahren anhängig, in dessen Rahmen gegen den Kläger ein Verhaftungsauftrag gestellt worden war. Nachfolgende Gespräche zwischen den Parteien blieben ergebnislos. Mit Anwaltsschreiben vom 12.08.2014 erteilte die Beklagte dem Kläger Hausverbot unter Berufung auf ungebührliches und aggressives Verhalten gegenüber ihren Mitarbeitern. Durch Beschluss des Amtsgerichts Neunkirchen vom 30.10.2015 ist Herr B. K., Neunkirchen/Saar, zum Betreuer des Klägers für die Aufgabenkreise Vertretung gegenüber Ämtern, Behörden und Versicherungen, Sorge für die Gesundheit, Aufenthaltsbestimmung sowie Vermögenssorge bestellt worden.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, eine Kündigung der Konten und des Darlehens seien unvermittelt erfolgt. Dazu hat er behauptet, mit Herrn T. H. sei am 22.04.2014 besprochen worden, dass von der im April eingegangenen Provision ein Teilbetrag von 4.000 EUR an den Vater des Klägers zurückgezahlt werden solle, den dieser dem Kläger geliehen habe. Weiter habe Mehrwertsteuer in Höhe von 800 EUR an das Finanzamt gezahlt werden sollen. Ein Teilbetrag von 1.000 EUR habe zur Saldorückführung verwendet werden sollen.
Infolge der Kündigung sei der Kläger von jetzt auf gleich mittellos dagestanden, weshalb er weder seinen Lebensunterhalt bestreiten noch seine Mobilität habe erhalten können, um weitere Provisionen zu verdienen. Da die Beklagte die Kündigung des Vertragsverhältnisses der SCHUFA gemeldet habe, hätte er auch über kein anderes Kreditinstitut die nötigen Barmittel zur Berufsausübung erlangen können. Der Vertrag mit der ... pp. GmbH sei von dieser gekündigt worden, weil er seine Tätigkeit auf Grund seiner Mittellosigkeit nicht mehr habe ausüben können. Im Falle des Fortbestandes des Vertrags hätte er weiterhin monatlich 5.474 EUR verdienen können. Durch die Kontensperrung sei er kör...