Kathrin Gerber, Andrea Nasemann
Zusammenfassung
Umgestürzte Bäume, herumfliegende Dachziegel – Orkantiefs wie Lothar, Kyrill und Zeynep hinterlassen Schneisen der Verwüstung. Es entstanden Sachschäden in Milliardenhöhe und aufgrund des Klimawandels wird in den nächsten Jahren mit weiteren heftigen Stürmen zu rechnen sein. Richten vom Sturm entwurzelte oder geknickte Bäume Schäden auf dem Nachbargrundstück an, haftet der Eigentümer nicht in jedem Fall, sondern nur dann, wenn er diese nachweislich verschuldet hat. Dies setzt voraus, dass es für ihn erkennbar war, dass der Baum den nächsten Sturm nicht überstehen würde. Die Gerichte verlangen, dass der Eigentümer seiner Verkehrssicherungspflicht nachkommt, indem er seinen Baumbestand regelmäßig auf Krankheit und Schäden hin überprüft.
1 Bäume
Wenn ein gesunder Baum infolge eines ungewöhnlich starken Sturms auf ein Nachbargrundstück stürzt und dort Schäden verursacht, haftet der Eigentümer regelmäßig nicht. Allein das Pflanzen und Unterhalten eines Baumes begründet keine Störereigenschaft und keinen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch (§§ 1004 Abs. 1, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB).
Der Eigentümer hat aber jährlich Sichtkontrollen durchzuführen. Diese Kontrollen kann er selbst vornehmen, einen Fachmann muss er damit nicht beauftragen.
Jährliche Sichtkontrollen
Zwei Sichtkontrollen pro Jahr – einmal in belaubtem und einmal in unbelaubtem Zustand – gelten als ausreichend. Eine weitergehende Untersuchung ist dann erforderlich, wenn Umstände vorliegen, die nach allgemeiner Erfahrung auf eine besondere Gefahr durch den Baum hinweisen. Dazu zählen hohes Alter, spärliche oder trockene Belaubung, dürre Äste, äußere Verletzungen, Wachstumsauffälligkeiten oder auch Pilzbefall. Als Faustregel gilt: Je näher ein Baum an der Grundstücksgrenze steht, je größer und älter er ist und je stärker er bereits durch Krankheiten oder Umwelteinflüsse geschädigt ist, desto höher ist die von ihm für das Nachbargrundstück ausgehende potenzielle Gefahr und desto häufiger und intensiver müssen Baumkontrollen durchgeführt werden.
Hat der Eigentümer einen Baum regelmäßig überprüft und war nicht erkennbar, dass dieser den nächsten Sturm nicht überstehen wird, haftet er auch nicht. Im Klartext: Der Nachbar geht leer aus, wenn er nicht von einer eigenen Gebäude-, Hausrat- oder Kaskoversicherung Ersatz erhalten kann. Allerdings ist der Eigentümer dann schadensersatzpflichtig, wenn er versäumt hat, die gebotenen Baumkontrollen durchzuführen, aber bei ordnungsgemäßer Prüfung erkennbar gewesen wäre, dass der nächste Sturm den Baum wegfegen würde und dies noch rechtzeitig hätte verhindert werden können.
Ursächlichkeit des Sturms: Baum kippt erst Tage später
Ein Baum stürzte 6 Tage nach einem Sturm der Windstärke 8 auf das Flachdach eines auf dem Nachbargrundstück stehenden Hauses und beschädigte dieses erheblich. Ein Sachverständiger stellte fest, dass der Sturm einen Wurzelabriss verursacht hatte, der erst nach Tagen zum Umstürzen des Baumes geführt hat.
Die Versicherung wollte nicht bezahlen, denn nach deren Ansicht liege ein Versicherungsfall i. S. v. § 8 Nr. 2b der VGB 88 liege nur vor, wenn ein Baum unmittelbar durch den Sturm auf das Gebäude gedrückt oder geworfen werde. Dies sei vorliegend nicht der Fall, weil zwischen dem Sturm und dem Umfallen des Baumes ein Zeitraum von 6 Tagen liege.
Das Gericht entschied gegen die Versicherung: Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie sie von einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer zu verstehen sind. Nach diesem Verständnis liegt ein Versicherungsfall vor, wenn ein Sturm die maßgebliche Ursache für den Schaden gesetzt hat. Insoweit genügt es, wenn feststeht, dass die Standfestigkeit des Baumes durch den Sturm aufgehoben und dass deshalb das Gebäude beschädigt wurde. Der Schaden muss nicht während des Sturms eintreten. Deshalb spielt es keine Rolle, dass zwischen dem Sturm und dem Schadenseintritt einige Tage liegen.
Gebäudeversicherung: Keine Kostenübernahme für vorbeugende Fällung
Nach einem schweren Sturm geriet ein Baum in Schieflage. Bei einem weiteren Sturm wäre der Baum endgültig umgekippt, weshalb der Besitzer den Baum sicherheitshalber beseitigen ließ. Die dadurch entstandenen Kosten wollte er sich von seiner Gebäudeversicherung ersetzen lassen, weil die Gefahr bestanden habe, dass der Baum auf sein Haus stürzen und es beschädigen werde.
Versicherer und Gericht versagten die Kostenübernahme: Gemäß den Versicherungsbedingungen seien zwar auch Maßnahmen ersatzfähig, die ein Versicherungsnehmer zur Abwendung eines unmittelbar drohenden versicherten Schadens oder zur Minderung eines solchen für sachgerecht halten darf. Im konkreten Fall konnte indessen nicht von einem unmittelbar bevorstehenden erneuten Versicherungsfall, nämlich dem Umsturz oder Bruch des Baumes durch einen erneuten Sturm, ausgegangen werden. Der Baum hätte ebenso gut durch seine Schwerkraft oder andere, nicht versicherte Ereignisse wie z. B. durch Umwelteinflüsse umstürzen kön...