Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflichtverletzung bei der Inanspruchnahme durch einen Haftungsbescheid
Leitsatz (amtlich)
Das Benennungsverlangen nach § 160 AO begründet lediglich eine Obliegenheit des Steuerpflichtigen, deren Nichterfüllung lediglich zu der für ihn unvorteilhaften Nichtberücksichtigung von Schulden, Lasten, Kosten und anderen Ausgaben führt; eine Pflichtverletzung im Sinne des § 69 AO liegt in der Nichterfüllung des Benennungsverlangens jedoch nicht.
Normenkette
VwGO § 80 Abs. 4 S. 3, Abs. 5 S. 1 Alt. 1, Abs. 6; AO §§ 34-35, 69, 140, 143 Abs. 3, §§ 158, 160, 162 Abs. 2, §§ 191, 328; HGB § 6 Abs. 1, § 238 Abs. 1 S. 1; GmbHG § 13 Abs. 3, § 35 Abs. 1, § 48; BGB § 276 Abs. 1 S. 2
Tenor
I. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller vom 04.08.2009 gegen den Haftungsbescheid des Antragsgegners vom 29.07.2009 wird angeordnet.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
Gründe
Der Antrag ist – auch unter Berücksichtigung des § 80 Abs. 6 VwGO – gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. VwGO zulässig und begründet.
Die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen Heranziehungsbescheid zu öffentlichen Abgaben ist dann anzuordnen, wenn im Sinne des entsprechend anzuwendenden § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder die Vollziehung für den Abgabenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
“Ernstliche” Zweifel insoweit liegen erst dann vor, wenn sie im Sinne einer größeren Wahrscheinlichkeit der schließlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides überwiegen (so ausdrücklich: OVG des Saarlandes, Beschluss 2 W 803/86 vom 30.06.1986, SKZ 1987, 67 = AS 21, 4 m.w.N., seitdem st. Rspr.).
Nach Aktenlage bestehen solche ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Haftungsbescheides vom 29.07.2009, da dieser Bescheid den Anforderungen an eine rechtsfehlerfreie Inanspruchnahme der Antragsteller als Haftungsschuldner gemäß den §§ 1 Abs. 2 Nrn. 2, 4, 69, 34, 191 Abs. 1 AO hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen der haftungsbegründenden Rechtsnormen nicht gerecht wird.
Nach § 191 AO kann derjenige, der kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden.
§ 69 AO erklärt u.a. die in § 34 AO genannten gesetzlichen Vertreter juristischer Personen – solche waren die Antragsteller als Geschäftsführer der GmbH (§ 35 Abs. 1 GmbHG) – insoweit zu Haftungsschuldnern, als Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt werden.
Bei der Haftung gemäß § 69 AO handelt es sich nach einhelliger Ansicht um eine Schadensersatzhaftung (vgl. nur OVG Lüneburg, Urteil vom 22.10.1996 – 13 L 7364/94 –, NVwZ-RR 1998, 153 m.w.N.). Maßgebliche Haftungsvoraussetzung ist, dass feststeht, dass der Haftungsschaden ohne die vorsätzlich oder grob fahrlässig – wobei nach einhelliger Auffassung ein subjektiver und nicht der objektive Maßstab des § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB anzulegen ist (vgl. nur FG München, Urteil vom 16.09.1998 – 3 K 831/94 –, NJW 1999, 743, jeweils m.w.N.) – begangene Pflichtverletzung des Geschäftsführers selbst nicht eingetreten wäre (OVG Lüneburg, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 09.12.1988 – 8 C 13/87, NJW 1989, 1873). In dem Haftungsbescheid müssen Feststellungen dazu getroffen werden, dass die Pflichtverletzung vorliegt und für den Eintritt des Haftungsschadens kausal ist, wofür die Behörde die Beweislast trägt (vgl. nur Beschluss der Kammer vom 23.11.1999 – 11 F 68/99 – und Urteil der Kammer vom 18.03.1994 – 11 K 471/91 – m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen und mit Blick auf die bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur summarisch gebotenen Überprüfung lässt sich vorliegend aufgrund der von dem Antragsgegner getroffenen Feststellungen die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für den eingetretenen Schaden nicht feststellen.
Der Antragsgegner stellt im Rahmen der Prüfung der Kausalität der Pflichtverletzung für den eingetretenen Haftungsschaden entscheidungserheblich darauf ab, dass die Antragsteller sich, ohne dass ihnen insoweit Mitwirkungsverweigerungsrechte nach § 101 ff. AO zugestanden hätten, geweigert hätten, dem Benennungsverlangen des zuständigen Finanzamtes nach § 160 AO nachzukommen (vgl. Bl. 13 – 15 des Haftungsbescheides vom 29.07.2009, B I. 4 [= Bl. 25 – 27 der Gerichtsakte], insbesondere Bl. 14 und 15, wo u.a. ausgeführt wird: “Denn die Geschäftsführer … haben, indem sie ihre Mitwirkungs- und Auskunftspflichten im Benennungsverfahren nach § 160 AO verletzen, die maßgebliche Ursache gesetzt, die zu einer Steuergefährdung führt. … Im Übrigen wären, … die Steuernachforderungen nicht entstanden, wenn ihre Mandanten … dem Benennungsverlangen nachgekommen wären.”).
Diese Begründung verkennt die Bedeutung sowie den Sinn und Zweck des § 160 AO. Die Vorschrift dient nic...