Entscheidungsstichwort (Thema)
Beamtenrecht. Versorgungsabschlag bei vorzeitiger Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Der Versorgungsabschlag nach § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BeamtVG wegen vorzeitiger Versetzung in den Ruhestand infolge nicht dienstunfallbedingter Dienstunfähigkeit ist verfassungsgemäß; das gilt auch dann, wenn der Beamte nicht freiwillig, sondern auf Betreiben des Dienstherrn in den Ruhestand versetzt wird.
Normenkette
BeamtVG § 14 Abs. 3 S. 1 Nr. 3
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar; die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ersichtlichen Kostenschuld abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die am 02.05.1956 geborene Klägerin, die als Beamtin im Dienste der Beklagten mit Ablauf des 31.05.2006 wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt wurde, begehrt die Verpflichtung der Beklagten zur Neufestsetzung ihrer Versorgungsbezüge ohne einen Versorgungsabschlag nach § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BeamtVG.
Die Versorgungsbezüge der Klägerin wurden mit Bescheid der Beklagten – Versorgungscenter Münster – vom 28.06.2006 festgesetzt, wobei die Beklagte nach der zitierten Vorschrift wegen vorzeitiger Versetzung in den Ruhestand aufgrund Dienstunfähigkeit einen Versorgungsabschlag in Höhe von 10,8 vom Hundert des erdienten Ruhegehalts vornahm, was einem monatlichen Abzug von 189,34 Euro entspricht.
Zur Begründung ihres gegen den Bescheid erhobenen Widerspruchs machte die Klägerin geltend, der Versorgungsabschlag stelle einen ihr Renteneigentum verletzenden Grundrechtseingriff dar. Die Kürzung solle dazu dienen, ein Ausweichen in die Erwerbsminderungsrente zu verhindern. Das Bundessozialgericht habe diese Praxis für gesetz- und grundrechtswidrig erklärt. § 77 Abs. 2 Satz 3 SGB VI besage ausdrücklich, dass die Zeit des Bezuges einer Rente vor Vollendung des 60. Lebensjahres des Versicherten nicht als eine Rentenkürzung rechtfertigende Zeit einer „vorzeitigen Inanspruchnahme” gelte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.08.2006, den Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin zugegangen am 04.08.2006, wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, mit dem Gesetz zur Neuordnung der Versorgungsabschläge habe der Gesetzgeber unter anderem den Versorgungsabschlag bei Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit ab dem 01.01.2001 neu geregelt. Danach sei das Ruhegehalt für jedes Jahr der vorzeitigen Zurruhesetzung vor dem 63. Lebensjahr um 3,6 %, maximal um 10,8 %, zu kürzen. Das von der Klägerin erdiente Ruhegehalt von 1.753,16 Euro verringere sich somit um monatlich 189,34 Euro. Entgegen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, nach der Rentenabschläge von Erwerbsminderungsrenten, die vor dem 60. Lebensjahr in Anspruch genommen werden, rechtswidrig seien, habe das Bundesverwaltungsgericht den Versorgungsabschlag bei vorzeitiger Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit für verfassungsgemäß erklärt.
Mit am 04.09.2006 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin Klage erhoben.
Zur Begründung trägt sie vor, der von der Beklagten vorgenommene Versorgungsabschlag sei grundrechtswidrig, insbesondere mit Art. 33 Abs. 5 GG nicht vereinbar. Ziel der Einführung des Versorgungsabschlags bei vorzeitiger Versetzung in den Ruhestand sei es gewesen, die hiermit verbundene längere Dauer des Bezuges der Versorgungsleistungen auszugleichen und die Anreize für eine vorzeitige Pensionierung und damit den Anstieg der Ausgaben zur Finanzierung der anwachsenden Versorgungsleistungen zu mindern. Mit Wirkung zum 01. Januar 2000 sei § 14 Abs. 3 BeamtVG dahin erweitert worden, dass nicht nur der auf seinen Antrag in den vorzeitigen Ruhestand versetzte Beamte, sondern auch derjenige den Versorgungsabschlag hinzunehmen habe, der wegen Dienstunfähigkeit zwangsweise pensioniert worden sei. Diese Änderung sei an eine Änderung im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung angelehnt, welche vom Bundessozialgericht mit Urteil vom 16.05.2006 – B 4 RA 22/05 R – für rechtswidrig erkannt worden sei. Rentenabschläge bei Erwerbsminderungsrenten, die vor Vollendung des 60. Lebensjahres in Anspruch genommen werden, seien danach nicht rechtens; die Kürzung der Erwerbsminderungsrente solle nämlich dazu dienen, ein Ausweichen der Versicherten in die Erwerbsminderungsrenten wegen der Rentenabschläge bei vorzeitigen Altersrenten zu verhindern, und ein derartiges Ausweichen komme erst ab Vollendung des 60. Lebensjahres in Betracht. § 77 Abs. 2 Satz 3 SGB V bestimme ausdrücklich, dass die Zeit des Bezuges einer Rente vor Vollendung des 60. Lebensjahres des Versicherten nicht als Zeit einer vorzeitigen Inanspruchnahme gelte, die gegebenenfalls allein unter Umständen geeignet sein könnte, eine dauerhafte, im ...