Entscheidungsstichwort (Thema)
Entfernung einer Justizvollzugsbeamtin aus dem Dienst bei erpresstem Geschlechtsverkehr seitens eines Strafgefangenen
Leitsatz (amtlich)
Eine Justizvollzugsbeamtin, die ein zunächst einvernehmliches mit Briefeschreiben, Zärtlichkeiten und Küssen verbundenes Verhältnis zu einem Strafgefangenen pflegt und sich sodann – nachdem sie das Verhältnis eigentlich beenden will – von diesem bis hin zur Gewährung von Geschlechtsverkehr erpressen lässt, ist aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
Tenor
I. Die Beklagte wird aus dem Beamtenverhältnis entfernt.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
I.
Die in St… W… geborene Beklagte besuchte zunächst die Grundschule in …, sodann die Hauptschule in … und von … die Kreisrealschule in …, die sie am … mit dem Realschulabschluss verließ. Anschließend machte sie eine Berufsausbildung als Zahnarzthelferin; die entsprechende Abschlussprüfung legte sie am … mit Erfolg ab. Ab … war sie bis zu ihrer Einstellung in den Justizvollzugsdienst in verschiedenen Zahnarztpraxen als Zahnarzthelferin tätig.
Am … 2001 wurde sie unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zur Anwärterin im mittleren (allgemeinen) Justizvollzugsdienst ernannt.
Nachdem sie am … die entsprechende Laufbahnprüfung mit der Gesamtnote “gut – 11 Punkte” bestanden hatte, wurde sie mit Wirkung vom … unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zur Obersekretärin im JVD zur Anstellung und am … 2005 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zur Obersekretärin im JVD ernannt.
Seit Bestehen der Laufbahnprüfung war die Beklagte in der Justizvollzugsanstalt … eingesetzt, wo sie vorwiegend im Wohngruppenvollzug des Hauses 3 Verwendung fand. Ihre Leistungen sind zuletzt am … mit “befriedigend – 9 Punkte” beurteilt worden.
Sie ist ledig, kinderlos und weder straf- noch disziplinarrechtlich vorbelastet.
Seit Anfang 2006 leidet sie an Depressionen, weshalb sie bereits mehrfach – sowohl vor als auch nach den hier in Rede stehenden Ereignissen – in ärztlicher Behandlung war.
Mit Vermerk vom … 2008 wurde das behördliche Disziplinarverfahren gegen die Beklagte eingeleitet, was ihr am … 2008 mitgeteilt wurde.
Mit Verfügung des Klägers vom … 2008 wurde sie vorläufig des Dienstes enthoben; mit weiterer Verfügung vom … 2009 wurden 50 % ihrer monatlichen Dienstbezüge einbehalten. Ihre hiergegen gerichteten Aussetzungsanträge blieben ohne Erfolg (Beschlüsse der erkennenden Kammer vom 06.03.2009 – 7 L 23/09 – und des Disziplinarsenats des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 17.06.2009 – 6 B 289/09 – und vom 20.08.2009 – 6 B 360/09 –).
Am 26.03.2009 ist die Disziplinarklage mit dem Antrag,
die Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen,
bei Gericht eingegangen.
Die Beklagte ist diesem Antrag entgegengetreten.
Zur Schuldfähigkeit der Beklagten hat die Kammer Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens durch Dr. med. N…R…, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das vorgelegte schriftliche Gutachten vom 12.04.2010 (Blatt 92 – 122 der Gerichtsakte) sowie eine ergänzende Stellungnahme vom 25.05.2010 (Blatt 131 – 133 der Gerichtsakte) verwiesen.
Im Übrigen wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens sowie der Verfahren 7 L 23/09, 7 L 378/09 (6 B 289/09, 6 B 360/09) und die beigezogenen Verwaltungsunterlagen, insbesondere die Disziplinarakten und die Personalakte der Beklagten, deren Inhalt zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.
II.
Der Disziplinarklage liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Von etwa Februar/März bis Ende Oktober 2008 unterhielt die Beklagte zu dem Strafgefangenen ein Verhältnis, das mit Briefeschreiben, Zärtlichkeiten und Küssen begann und nach mehrmaligem Oralverkehr zum am 28.10.2008 ausgeführten Geschlechtsverkehr führte.
Dabei war das Verhältnis bis etwa Juni/Juli 2008 einvernehmlich und mit Briefeschreiben, Zärtlichkeiten und Küssen verbunden. Ab etwa Juni/Juli 2008 wollte die Beklagte diese Form des Kontakts mit dem Strafgefangenen beenden, worauf dieser begann, sie zu erpressen und ihr ganz gezielt zu drohen, “die Sache auffliegen zu lassen”. Hierauf führte sie die Beziehung gegen ihren eigentlichen Willen in der von dem Strafgefangenen gewünschten Form fort, wobei es zunächst zu mehrmaligem Oralverkehr kam. Nachdem der Gefangene ihr am 27.10.2008 erklärt hatte, sie solle einmal mit ihm schlafen, dann sei alles vorbei, kam es am 28.10.2008 im Lagerraum des Hausmalers zum Geschlechtsverkehr. Am 29.10.2008 verlangte der Gefangene zum zweiten Mal Geschlechtsverkehr von der Beklagten. Hierauf vertraute sie sic...