Rz. 200
In § 253 Abs. 1 Satz 1 HGB ist geregelt, dass VG höchstens mit den (fortgeführten) AK oder HK anzusetzen sind. Diese Regelung ist trotz der Formulierung nicht als Höchstwertvorschrift zu interpretieren, die es erlauben würde, einen VG mit einem niedrigeren Zugangswert einzubuchen, sondern nach h. M. als Fixwertbestimmung, die Ober- und Untergrenze zugleich festlegt. Während der Begriff AK für alle fremdbeschafften VG anzuwenden ist, sind selbsterstellte VG zu HK zu bewerten.
Rz. 201
Inhaltlich soll in beiden Fällen das gleiche wirtschaftliche Ergebnis erzielt werden: VG sollen mit den Einstandswerten aktiviert werden, so dass sich Zugänge als erfolgsneutrale Vermögensumschichtung oder Bilanzverlängerung darstellen. Dies entspricht dem Realisations- und dem Nominalprinzip. Durch die Anschaffung oder Herstellung eines VG soll weder Gewinn noch Verlust entstehen, da kein Absatzgeschäft des Erwerbers zugrunde liegt (zu Einschränkungen des Prinzips der Erfolgsneutralität bei HK siehe unten).
Daraus folgt auch, dass das AK-Prinzip nicht für die so genannten umsatzinduzierten VG gilt: verkauft ein Unternehmen zum Beispiel Waren auf Ziel, so ist die Forderung inklusive Erfolgsbestandteilen mit dem Nennwert einzubuchen. Welcher Aufwand dem Ertrag des Bilanzierenden gegenübersteht (der Wareneinsatz im Beispiel), spielt für die Bewertung der Forderung keine Rolle.
Rz. 202
In § 255 Abs. 1 HGB ist handelsrechtlich definiert, welche Größen zu den AK zählen. Das BilMoG brachte hier keine Änderung. Allerdings kann es in Sonderfällen indirekte Auswirkungen geben aufgrund anderweitiger HGB-Neuerungen. Zu denken ist hier etwa an § 256 a HGB (Fremdwährungsumrechnung) die Bildung von Bewertungseinheiten oder die Bewertung von Rentenverpflichtungen, falls der Barwert einer Rente als AK eines VG anzusetzen ist (vgl. Kessler in: Kessler/Leinen/Strickmann 2009, 163 ff.).
Rz. 203
Zu beachten ist, dass die gesetzliche Formulierung "Anschaffungskosten" (analog: "Herstellungskosten") missglückt ist. Der JA ist eine pagatorische Rechnung (Nominalprinzip), die auf Einnahmen/Ausgaben basiert; kalkulatorische Kostenbestandteile sind damit prinzipiell nicht einbeziehungsfähig (zum Beispiel kalkulatorische Zinsen auf das EK).
Rz. 204
Ungenau sind aber auch die konkretisierenden Bestimmungen in § 255 Abs. 1 HGB, die auf Aufwendungen des Kaufmannes abstellen. Aufwendungen sind erfolgswirksame Größen; Anschaffungs- oder Herstellungsvorgänge sollen aber gerade erfolgsneutral gehalten werden. Die Fachbegriffe "Einstands-", "Zugangs-" oder "Anschaffungswert" hätten insoweit dem Gesetzeszweck besser entsprochen.
Rz. 205
Entscheidend für die AK (dieser eingeführte Begriff soll trotz dieser Bedenken weiterverwendet werden) ist die Ausgabenwirksamkeit. Diese umfasst neben Abflüssen von liquiden Mitteln auch die Verrechnung mit Forderungen etc., ist also weit zu interpretieren. In diesem Zusammenhang wird auch von der Maßgeblichkeit der Gegenleistung gesprochen, d. h. die AK umfassen die gesamten Leistungen des Kaufmannes für den angeschafften VG.
Rz. 206
Was zu den AK eines VG gehört, wird wesentlich mitbestimmt von der zeitlichen Festlegung des Erwerbsvorganges, also der Fixierung von Beginn und Ende der Anschaffung. Es entspricht dem Zweck einer möglichst vorsichtigen und objektiven Rechnungslegung, diesen Zeitraum restriktiv zu definieren, um eine Aktivierung von Ausgaben für die Einkaufsabteilung (zum Beispiel allgemeine Informationskosten) oder laufende Erhaltungs- oder Lagerausgaben zu verhindern. Das Gesetz stellt auf Aufwendungen ab, ›um einen VG zu erwerben‹; der Begriff "AK" ist also ein finaler Begriff.
Rz. 207
In § 255 Abs. 1 HGB werden einzelne Komponenten der AK definiert. Demnach umfassen diese:
a) |
den Rechnungspreis, |
b) |
die Anschaffungsnebenkosten (ANK), |
c) |
die Aufwendungen für die Herstellung der Betriebsbereitschaft, |
d) |
die nachträglichen AK, |
e) |
Anschaffungspreisminderungen sind abzusetzen. |
Die Bestandteile b) bis e) gehen nur insoweit in die AK ein, als sie einzeln (direkt) zurechenbar sind. Gemeinaufwendungen sind nicht aktivierbar. Begründet wird diese Regelung unter anderem mit dem Argument, den Unternehmen solle eine aufwendige Ermittlung von Gemeinaufwendungen erspart werden. Gesetzlich ist dies ausdrücklich aber nur für c) geregelt.
Der Ausschluss von nur mittels Schlüsselung zurechenbaren Gemeinaufwendungen führt dazu, dass Anschaffungs- und Herstellungsvorgänge bilanziell nicht gleich behandelt werden, da in die HK auch Gemeinaufwendungen einbezogen werden.
Rz. 208
Grundsätzlich sind jedem VG seine AK einzeln zuzurechnen (Grundsatz der Einzelbewertung). Aus Vereinfachungsgründen sind einige Ausnahmen zulässig:
- Die Bewertung von VG mit einem Festwert (§ 240 Abs. 3 HGB), dem gewogenen Durchschnittswert (§ 240 Abs. 4 HGB) oder nach einem Verbrauchsfolgeverfahren (§ 256 HGB) dient einer vereinfachten Ermittlung der AK mit Hilfe pauschaler Annahmen (RN 138). Die z. B. von der Deutschen Telekom AG vorgenommene Clusterbewertung wird hi...