Rz. 324
Auch beim UV führt das Imparitätsprinzip zur verlustfreien Bewertung. Anders als beim AV spielt hier jedoch die Dauer der Wertminderung keine Rolle (strenges Niederstwertprinzip § 253 Abs. 4 HGB). Im Gesetz ist eine Bewertung mit dem aus dem Markt- oder Börsenpreis abgeleiteten Wert oder – falls ein solcher nicht existiert – dem beizulegenden Wert vorgesehen, wenn dieser unter dem Buchwert liegt. Alle drei Begriffe zielen wiederum auf den Zeitwert zum Bilanzstichtag ab.
Rz. 325
Obwohl das Imparitätsprinzip und die Idee der verlustfreien Bewertung eindeutig absatzmarktorientiert konzipiert sind, misst die h. M. auch dem Beschaffungsmarkt für einzelne VG Bedeutung zu, wobei wie beim AV rein pragmatische Gründe eine Rolle spielen. Demnach gelten folgende Zuordnungen:
(1) |
Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe: Beschaffungsmarkt (Ausnahme: Überbestände – Absatzmarkt). |
(2) |
Unfertige und fertige Erzeugnisse: Absatzmarkt (Ausnahme: auch Fremdbezug möglich – Beschaffungs- oder Absatzmarkt). |
(3) |
Handelswaren: Absatz- und Beschaffungsmarkt (doppeltes Minimum). |
(4) |
Wertpapiere: regelmäßig Beschaffungsmarkt. (vgl. Schubert/Roscher in BeBiKo, § 253 HGB RN 516 ff.). |
Rz. 326
U. E. besteht kein Grund, beschaffungsmarktorientierte Werte heranzuziehen, wenn aus dem Absatzmarkt eine Bewertung abzuleiten ist. Für das doppelte Minimum bei Waren fehlt genauso jeder Grund, wie für die Regel in EStR 2008 R 6.8 Abs. 2: dort werden Abschreibungen selbst dann ermöglicht, wenn die Verkaufserlöse der zu bewertenden VG nicht sinken, aber die Beschaffungswerte gesunken sind. Dies geht jedenfalls über das Imparitätsprinzip hinaus und entbehrt damit einer gesetzlichen Grundlage.
Rz. 327
Zu den im Gesetz verwendeten Begriffen Börse und Markt vgl. ADS § 253 RN 504 ff. Es kommt entscheidend darauf an, dass auch tatsächlich Umsätze mit gleichen oder zumindest vergleichbaren Produkten auf einem räumlich für das bilanzierende Unternehmen relevanten Markt erfolgten. Für Zufallskurse an Börsen, die deutlich vom Kursniveau vor und nach dem Stichtag abweichen gilt: sind sie atypisch niedrig, müssen sie angesetzt werden; sind sie atypisch hoch, ist auf einen Durchschnittskurs aus dem Zeitraum um den Stichtag zurückzugreifen.
Unfertige und fertige Erzeugnisse werden regelmäßig nach der so genannten retrograden Methode bewertet, wobei folgendes Schema zugrunde liegt:
Retrograde Methode |
(1) |
Vorsichtig geschätzter Verkaufserlös |
– (2) |
Erlösschmälerungen (Skonti, Rabatte etc.) |
– (3) |
Verpackungskosten, Ausgangsfrachten |
– (4) |
Allgemeine Vertriebskosten |
– (5) |
Verwaltungskosten |
– (6) |
Finanzierungskosten (Zinsen etc.) |
– (7) |
Kosten der Fertigstellung (bei unfertigen Erzeugnissen) |
= |
Beizulegender Wert |
Rz. 328
Um die künftigen GuV verlustfrei zu halten, sind eigentlich die Veräußerungserlöse am künftigen Verkaufstermin relevant (vgl. Schildbach JbfSt 1990/91, S. 34 f.). Das Stichtagsprinzip und Objektivierungserfordernisse rechtfertigen, dass der potentielle Erlös zum Stichtag angesetzt wird (Preisänderungen nach dem Stichtag sind wertbegründend, nicht werterhellend, vgl. RN 101 f.). Die noch abzusetzenden Kosten sind nach h. M. als Vollkosten bei Normalbeschäftigung zu ermitteln (vgl. Schubert/Roscher in BeBiKo, § 253 HGB RN 521 f.). Für eine verlustfreie Bewertung genügt es, variable Einzel- und Gemeinkosten abzuziehen (wird von ADS § 253 RN 528 zumindest bei Leerkapazitäten für zulässig angesehen).
Die ständige BFH-Rechtsprechung verlangt zur Bestimmung des in der Steuerbilanz anzusetzenden Teilwertes zusätzlich den Abzug eines durchschnittlichen Rohgewinnaufschlags (vgl. EStR 2008 R 6.8 Abs. 2). Da dies – zutreffende Schätzungen unterstellt – im Veräußerungsjahr zu einem Gewinn führt, ist dieser Abzug handelsrechtlich unzulässig.
Rz. 329
Insbesondere bei großen Lagerbeständen mit einer Vielzahl von Einzelposten wird in der Praxis die Ermittlung des beizulegenden Wertes durch den Abzug so genannter Gängigkeitsabschläge vereinfacht. Die Höhe der Gängigkeitsabschläge wird i. d. R. nach der Umschlagshäufigkeit (und damit der Reichweite) der Position bemessen (vgl. ADS § 253 RN 518 f.; Schubert/Roscher in BeBiKo, § 253 HGB RN 529 ff. zu verschiedenen Verfahren). Lange Lagerdauern sind einmal ein Indiz für schlechte Gängigkeit. Zum anderen lösen sie Kosten aus (Kontrolle, Reinigung, Reparatur, Versicherungen, Zinsen, Personal, Miete oder Abschreibungen für Lagerhallen, Inventur etc.). Während handelsrechtlich mit den Gängigkeitsabschlägen beiden Komponenten Rechnung getragen wird, hat der BFH die genannten Kosten als ›allgemeine Betriebsunkosten‹ qualifiziert, die keinen Minderwert der Waren darstellen (vgl. Moxter 2007, S. 313 ff. m. Rechtsprechungsnachweisen). Nach einer mit dem BMF und den obersten Finanzbehörden der Länder von der OFD Frankfurt a. M. erlassenen Vfg. vom 17.07.1997 (BB 1997, S. 1939), sind nach Ansicht der Finanzverwaltung lange Lagerdauern kein Grund (mehr), Abschreibungen vorzunehmen. Technische Überalterung, Beschädigungen etc. müssen vom Bilanzie...