Leitsatz (amtlich)

Die vom Großen Senat des BFH im Beschluss vom 12.6.1978 (GrS 1/77, BStBl II1978, S. 620) zur steuerrechtlichen Behandlung von Abbruchkosten getroffene Unterscheidung danach, ob das Gebäude in Abbruchabsicht oder ohne Abbruchabsicht erworben wurde, gilt nicht, wenn das später abgerissene Gebäude zuvor nicht zur Erzielung von Einkünften genutzt wurde; in diesem Fall stehen die durch den Abbruch des Gebäudes veranlassten Aufwendungen im Zusammenhang mit der Errichtung des Neubaus und bilden Herstellungskosten des neu errichteten Gebäudes.

 

Sachverhalt

Die Kläger, Eheleute, erwarben 1984 ein Grundstück, das mit einem 1960 errichteten Einfamilienhaus bebaut war. Sie nutzten das Gebäude zu eigenen Wohnzwecken. 1990 zeigten sich am Gebäude Senkungsschäden. Aufgrund eines Gutachtens, das erhebliche Sanierungskosten veranschlagte, entschlossen sich die Kläger, das Gebäude abzureißen und neu zu bauen. Die Kläger errichteten 1993 zwei Doppelhaushälften, von denen sie eine veräußerten. Die Wohnfläche der zurückbehaltenen Doppelhaushälfte beträgt 227 qm; davon vermieteten die Kläger eine Wohnung mit 44 qm; eine Wohnung mit 100 qm nutzten sie selbst; die dritte Wohnung überließen sie unentgeltlich der Mutter des Klägers. In ihrer ESt-Erklärung machten die Kläger die Kosten des Abrisses des Gebäudes und den Gebäudewert vor Schadenseintritt von insgesamt 230 535 DM als außergewöhnliche Belastung geltend. Das Finanzamt erkannte die Aufwendungen nicht an. Das FG gab der dagegen gerichteten Klage überwiegend statt[1]. Es berücksichtigte die Abbruchkosten und den Restbuchwert des Gebäudes von insgesamt 51 440 DM als sofort abziehbare Aufwendungen, und zwar zu 35 722 DM als Vorkosten gemäß § 10e Abs. 6 EStG und zu 15 718 DM als Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung. Der veräußerten Doppelhaushälfte und der unentgeltlich überlassenen Wohnung zuzurechnende Aufwendungen seien sie steuerrechtlich nicht zu berücksichtigen. Auf die Revision hob der BFH die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.

 

Entscheidungsgründe

Das FG hat die Kosten des Abbruchs des Gebäudes und dessen restliche Herstellungskosten unzutreffend steuermindernd als Vorkosten gemäß § 10e Abs. 6 EStG und als Werbungskosten in Gestalt von Absetzungen nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 5 EStG berücksichtigt. Die Aufwendungen bilden vielmehr Herstellungskosten des neu errichteten Gebäudes.

Zu den Aufwendungen i.S. des § 10e Abs. 6 Satz 1 EStG gehören auch Absetzungen gemäß § 7 Abs. 1 Satz 5 EStG[2]. Absetzungen und Abrisskosten wären aber nicht gemäß § 9 Abs. 1, § 7 Abs. 1 Satz 5 EStG als Werbungskosten zu berücksichtigen gewesen, soweit die Kläger die eine Wohnung des neu errichteten Gebäudes, statt sie selbst zu nutzen, vermietet hätten. In gleicher Weise entfällt auch ein Abzug der Aufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nach § 9 Abs. 1, § 7 Abs. 1 Satz 5 EStG, soweit die Kläger eine Wohnung des neu errichteten Hauses vermietet haben. Es fehlt in beiden Fällen an einem steuerrechtlich erheblichen Zusammenhang mit der bisherigen Nutzung des (abgerissenen) Gebäudes.

Nach der ständigen Rechtsprechung[3] kommt es für eine Berücksichtigung von Absetzungen und Abrisskosten als Werbungskosten statt als Herstellungskosten darauf an, dass das abgerissene Gebäude nicht in der Absicht erworben wurde, es abzureißen. Die Unterscheidung der Fälle danach, ob das Gebäude mit oder ohne Abbruchabsicht erworben wurde, hat der Große Senat[4] vor dem Hintergrund der bisherigen Nutzung des abgerissenen Gebäudes getroffen: Diente die Anschaffung des abgebrochenen Gebäudes allein dem Ziel der Nutzung durch den Betrieb oder durch Vermietung und Verpachtung, so ist es nicht gerechtfertigt, nachträglich einen steuerrechtlich bedeutsamen Zusammenhang zwischen der Anschaffung des später abgebrochenen Gebäudes und der Herstellung des neuen Gebäudes hervorzuheben. Hieraus folgt: Wurde das später abgebrochene Gebäude zuvor auf einkommensteuerrechtlich bedeutsame Weise genutzt, so tritt der Zusammenhang des Abbruchvorgangs mit der Herstellung des neuen Gebäudes in den Hintergrund. Maßgeblich für die Abziehbarkeit bleibt die vorherige Nutzung des (abgebrochenen) Objekts. Absetzungen und Abbruchkosten sind folgerichtig nicht als sofort abziehbare Aufwendungen zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige mit der bisherigen Nutzung des Gebäudes keinen Tatbestand einer Einkunftsart verwirklicht.

Fehlt es an einem steuerrechtlich bedeutsamen Zusammenhang der durch den Abbruch bedingten Aufwendungen mit der Nutzung des Altgebäudes, so finden die vom Großen Senat[5] entwickelten Grundsätze zur steuerrechtlichen Behandlung von Abbruchkosten und die dort enthaltene Unterscheidung der Fälle danach, ob der Steuerpflichtige das später abgerissene Gebäude mit oder ohne Abbruchabsicht erworben hatte, keine Anwendung. In diesem Fall stehen die Abrisskosten und die Absetzungen ausschließlich im Zusammenhang mit dem Ne...

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