Leitsatz (amtlich)

Übt eine Personengesellschaft neben einer freiberuflichen auch eine gewerbliche Tätigkeit aus, so ist die Tätigkeit auch dann infolge der "Abfärberegelung" des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG insgesamt als gewerblich anzusehen, wenn die gewerbliche Tätigkeit von der Gewerbesteuer befreit ist. Die Gewerbesteuerbefreiung erstreckt sich in solchen Fällen jedoch auch auf die Tätigkeit, die ohne die "Abfärbung" freiberuflich wäre.

 

Sachverhalt

Die 1982 gegründete Klägerin ist eine von drei Ärzten als GbR betriebene Gemeinschaftspraxis mit angeschlossener Augenklinik. Die Einkünfte der Klägerin wurden zunächst als solche aus selbständiger Arbeit einheitlich und gesondert festgestellt. Bei einer 1994 durchgeführten Betriebsprüfung teilte der Prüfer den einheitlich ermittelten Gewinn für die Streitjahre auf die beiden Tätigkeitsbereiche Praxis und Klinik auf. Aufgrund dieser Aufteilung kam er zu dem Ergebnis, die Klinik werde hinsichtlich der Beköstigung und Beherbergung der Patienten mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben und stelle eine besondere Einnahmequelle neben der ärztlichen Tätigkeit dar. Diese gewerbliche Tätigkeit führe dazu, dass die gesamte Tätigkeit der Klägerin als gewerblich zu behandeln sei. Seien die gesamten Einkünfte solche aus Gewerbebetrieb, blieben die Klinikgewinne allerdings gemäß § 3 Nr. 20 GewStG steuerfrei, da die Voraussetzungen des § 67 AO hierfür erfüllt seien. Dem schloss sich das Finanzamt an und erließ für die Streitjahre entsprechende GewSt-Messbetragsbescheide, in denen nur die Praxisgewinne als Gewerbeertrag erfasst wurden. Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt[1]. Die Revision blieb erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

Unter Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen i.S. des EStG zu verstehen[2]. Demnach unterliegt auch die mit Einkünfteerzielungsabsicht ausgeübte Tätigkeit einer nur zum Teil gewerblich tätigen Personengesellschaft der GewSt. Denn eine solche Tätigkeit gilt nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG in vollem Umfang als gewerblich. Als Personengesellschaft in diesem Sinne ist auch eine GbR anzusehen. Danach stellt sich im Streitfall - entgegen der Ansicht des FG - die Tätigkeit der Klägerin als gewerblich dar. Die Klägerin betrieb nicht nur die ärztliche Gemeinschaftspraxis, sondern auch die Augenklinik. Beide Tätigkeiten der Klägerin waren nicht in der Weise miteinander verknüpft, dass sie sich gegenseitig unlösbar bedingt hätten, so dass zu prüfen gewesen wäre, ob das freiberufliche oder das gewerbliche Element vorherrschte. Die Klägerin strebte schließlich aus dem Krankenhausbetrieb - und zwar aus Beköstigung und Beherbergung - einen Gewinn an, so dass sich der Klinikbetrieb nicht als notwendiges Hilfsmittel der freiberuflichen ärztlichen Tätigkeit, sondern als selbständige Einnahmequelle darstellte. War die Klägerin demnach teilweise gewerblich und teilweise freiberuflich tätig, lässt der Wortlaut des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG eine andere Rechtsfolge als die der "Infizierung" der freiberuflichen durch die gewerblichen Einkünfte nicht zu. Sind die Einkünfte der Klägerin mithin insgesamt als gewerblich zu qualifizieren, so müssen dennoch die Einkünfte aus der ärztlichen Gemeinschaftspraxis ebenso nach § 3 Nr. 20 GewStG gewerbesteuerfrei bleiben wie die Einkünfte aus dem Klinikbetrieb. Hinter dem Zweck des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG, Schwierigkeiten bei der Abgrenzung der verschiedenen Einkunftsarten ein und derselben Gesellschaft zu vermeiden, steht ein weiteres Ziel: Es soll verhindert werden, dass infolge unzureichender Abgrenzungsmöglichkeit zwischen den beiden Tätigkeiten gewerbliche Einkünfte der GewSt entzogen werden[3]. Daraus lässt sich jedoch schließen, dass sich die "Abfärbung" auch auf die GewSt-Freiheit der Einkünfte erstreckt. Denn eine GewSt-Pflicht, die nicht besteht, kann auch nicht gefährdet werden.

Unter diesen Umständen kann dahinstehen, ob - wofür angesichts der vom FG festgestellten Höhe der Klinikgewinne wenig spricht - auch im Streitfall der Anteil der gewerblichen Tätigkeit so gering ist, dass sie nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ungeeignet wäre, die "Abfärbewirkung" des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG herbeizuführen.

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 30.8.2001 – IV R 43/00

[3] So zutreffend Drüen, Über Zweck und Grenzen der Abfärberegelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG, FR 2000, S. 177, 185

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