Leitsatz
Ist die Anschlusspflicht nach den Bestimmungen der Abfallwirtschaftssatzung grundstücksbezogen und knüpft die Abfallwirtschaftsgebührensatzung an die Bestimmungen der Abfallwirtschaftssatzung an, erfolgt auch die Gebührenerhebung grundstücksbezogen. Eine vom Grundsatz der anteiligen Kostentragung nach § 16 Abs. 2 WEG abweichende Regelung betrifft lediglich das Verhältnis der Kostentragung zwischen den Wohnungs- und Teileigentümern untereinander.
Normenkette
WEG § 16 Abs. 2
Das Problem
- In einer Wohnungseigentumsanlage gibt es ein Vorder- und ein Hinterhaus. Am Rückgebäude besteht alleiniges Wohnungseigentum von Wohnungseigentümer 1. Im Vordergebäude befindet sich neben Wohnräumen auch ein Ladengeschäft. In der Gemeinschaftsordnung ist klargestellt, dass sowohl die im Vorderhaus als auch die im Hinterhaus gelegenen Wohnungs- und Teileigentumsrechte "selbstständige wirtschaftliche Einheiten" sind.
- In den Jahren 1985 bis März 2011 erfolgt die Abfallgebührenabrechnung jeweils getrennt nach Vorder- und Hinterhaus. Im Jahr 2011 setzt die Gemeinde die Abfallwirtschaftsgebühren für das gesamte Grundstück fest. Dieser Bescheid wird einem Verwalter zugestellt, der nur das Vorderhaus verwaltet. Gegenüber Wohnungseigentümer 1 erlässt die Gemeinde am selben Tag einen weiteren Bescheid, wonach die Abfallwirtschaftsgebühr für ihn auf 0,00 EUR festgesetzt wird. Beiden Bescheiden ist ein Begleitschreiben beigefügt, in dem ausgeführt ist, es handele sich bei dem Anwesen um ein Grundstück im abgabenrechtlichen Sinne. Ab dem 1.4.2011 würden die Abfallwirtschaftsgebühren daher gemeinschaftlich über den Verwalter abgerechnet. Eine Klage des Wohnungseigentümers 1 gegen den gegen sie gerichteten Abfallbescheid weist das VG Augsburg als unzulässig ab (VG Augsburg v. 17.10.2012, Au 6 K 12.236). Ein Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt erfolglos (BayVGH v. 1.10.2013, 4 ZB 12.2570).
- Im November 2017 erteilt der Verwalter der Wohnungseigentümer des Vorderhauses Wohnungseigentümer 1 die Vollmacht, einen Antrag beim Abfallwirtschaftsamt der Gemeinde auf getrennte Behandlung der Müllkosten für das Vorder- und Hinterhaus zu stellen. Wohnungseigentümer 1 stellt diesen Antrag. Die Gemeinde lehnt diesen Antrag auf Neuverbescheidung ab. Die Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 2 KAG lägen nicht vor.
- Nun klagt Wohnungseigentümer 1 für sich und die anderen Wohnungseigentümer und Teileigentümer (nach Ansicht des Gerichts die "Klägerin zu 2"). Er meint, die einheitliche Festsetzung der Abfallgebühr sei rechtswidrig, da sie nicht der Abfallwirtschafts- und Abfallwirtschaftsgebührensatzung entspreche. Die Gemeinde habe nicht berücksichtigt, dass nach § 2 Abs. 6 der Abfallwirtschaftssatzung ein demselben Eigentümer gehörender zusammenhängender Grundstücksteil, der eine eigene wirtschaftliche Einheit bilde, ein Grundstück im Sinne der Satzung darstelle. Darüber hinaus sei nach § 2 Abs. 7 der Abfallwirtschaftssatzung ein dinglich Nutzungsberechtigter einem Eigentümer gleichgestellt.
Die Entscheidung
Die von Wohnungseigentümer 1 erhobene Verpflichtungsklage ist nach Ansicht des Gerichts unzulässig. Die von der Klägerin zu 2 erhobene Verpflichtungsklage sei unbegründet.
Die Klage von Wohnungseigentümer 1
Wohnungseigentümer 1 sei nicht zur Klage befugt. Gemäß § 42 Abs. 2 VwGO sei eine Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend mache, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Dies setzte im Rahmen der Verpflichtungsklage voraus, dass Wohnungseigentümer 1 zumindest möglicherweise einen Anspruch auf Erteilung des begehrten Verwaltungsakts habe. Hieran fehle es.
Schuldner der Abfallgebühren sei nach dem Bescheid der Gemeinde aus dem Jahr 2011 die Klägerin zu 2. Auch aus seiner "Eigenschaft als Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft" folge keine Stellung des Wohnungseigentümers 1 als Schuldner der Abfallgebühren, da sich seine Pflicht zur anteiligen Kostentragung im Innenverhältnis als "Reflex des geltenden Rechts darstelle".
Die Klage der "Klägerin zu 2"
Die von der Klägerin zu 2 erhobene Verpflichtungsklage sei unbegründet. Diese habe keinen Anspruch auf Abänderung des Bescheids aus dem Jahr 2011. Die Ablehnung einer Neubescheidung sei rechtmäßig und verletze die Klägerin zu 2 nicht in ihren Rechten.
- Gemäß Art. 12 Abs. 2 Nr. 2 KAG seien Bescheide, die für mehrere Zeitabschnitte gelten, auf Antrag des Schuldners für die nach der Antragstellung beginnenden neuen Zeitabschnitte zu ändern, wenn sie sachlich unrichtig sind. Der Bescheid aus dem Jahr 2011 sei sachlich jedoch zutreffend. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 der Satzung über die Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen (Abfallwirtschaftssatzung – AWS) der beklagten Gemeinde seien die Grundstückseigentümer und Grundstückeigentümerinnen verpflichtet, ihre Grundstücke an die öffentliche Abfallentsorgungseinrichtung der Gemeinde anzuschließen (Anschlusszwang). Gemäß § 2 Abs. 6 AWS sei Grundstück im Sinne dieser Satzung jedes räumlich zusammen...