Leitsatz

Die bei Vermögensübertragungen von Eltern auf Kinder bestehende Vermutung für das Vorliegen einer privaten Versorgungsrente ist jedenfalls dann widerlegt, wenn die Vertragspartner Leistung und Gegenleistung wie unter fremden Dritten nach kaufmännischen Gesichtspunkten gegeneinander abgewogen haben und subjektiv davon ausgegangen sind, dass die Leistungen im maßgebenden Zeitpunkt des Vertragsschlusses in etwa wertgleich sind.

 

Sachverhalt

Der Steuerpflichtige betreibt auf dem Grundstück G eine Apotheke und ermittelt seinen Gewinn durch Bestandsvergleich. Er hatte das Grundstück (Verkehrswert ca. 1120000 DM) zunächst von seinem Vater gemietet. Ende Oktober 1993 erwarb er das Grundstück gegen Zahlung einer Leibrente von monatlich 12800 DM (Rentenbarwert unter Zugrundelegung der statistischen Lebenserwartung des Vaters: 937000 DM) und sonstige Gegenleistungen von 182000 DM. Der Vater verstarb bereits im Februar 1994. Der Steuerpflichtige wurde Alleinerbe.

Das Finanzamt qualifizierte die Rente als betriebliche Erwerbsrente und sah deshalb im Wegfall der beim Steuerpflichtigen passivierten Rentenschuld einen außerordentlichen – sowohl den Gewinn als auch den Gewerbeertrag erhöhenden – Ertrag. Die dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos. Der BFH bestätigte die Vorentscheidung.

 

Entscheidung

Es lag eine betriebliche Erwerbs- bzw. Veräußerungsrente, keine private Versorgungsrente vor, weil die Vertragsparteien Leistung und Gegenleistungen im notariellen Grundstückskaufvertrag nach kaufmännischen Grundsätzen gegeneinander abgewogen haben. Voraussetzung für eine (entgeltliche) Veräußerungs- bzw. Erwerbsrente ist, dass die Vertragsbeteiligten subjektiv von der Gleichwertigkeit der beiderseitigen Leistungen ausgegangen sind. Dies traf im Streitfall zu. Die nach der Rechtsprechung des BFH bei der Übertragung von ertragbringendem und existenzsicherndem Vermögen von Eltern und Kindern bestehende widerlegbare Vermutung, dass die Rente unabhängig vom Wert des übertragenen Vermögens nach dem Versorgungsbedürfnis der Eltern und/oder nach der Ertragskraft des übertragenen Vermögens bemessen worden ist und damit eine private Versorgungsrente vorliegt, ist damit entkräftet.

 

Praxishinweis

Die im Streitfall gewählte Gestaltung hatte für den Steuerpflichtigen, bei dem der Rentenbarwert als Anschaffungsverbindlichkeit zu passivieren war, einen eminenten Nachteil: Mit dem frühzeitigen Tod des Vaters trat beim Steuerpflichtigen durch den ersatzlosen Wegfall der Rentenverbindlichkeit ein der Einkommen- und Gewerbesteuer unterliegender betrieblicher Ertrag ein. Diese steuererhöhende Wirkung wäre dadurch vermieden worden, dass die Vertragspartner als "Gegenleistung" eine steuerlich wirksame private Versorgungsrente[1] vereinbart hätten. Sie wäre überdies auch dann nicht eingetreten, wenn die Vertragsbeteiligten einen festen – gegebenenfalls in Raten zu zahlenden – Kaufpreis oder eine Veräußerungsleibrente mit einer nach der statistischen Lebenserwartung des Vaters bemessenen Mindestlaufzeit (sog. verlängerte Leibrente) festgelegt hätten. In den beiden letztgenannten Fällen wäre der Wegfall der ebenfalls beim Steuerpflichtigen zu passivierenden Kaufpreisraten- oder Kaufpreisrentenschuld erst (eine juristische Sekunde nach dem Tod des Vaters) durch Vereinigung von Forderung und Schuld in der Hand des Steuerpflichtigen (Konfusion) erloschen. Die dadurch eingetretene Betriebsvermögensmehrung wäre aber privat, nämlich durch die Erbeinsetzung des Steuerpflichtigen, veranlasst und damit als Einlage zu qualifizieren gewesen.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 30.7.2003, X R 12/01

[1] Vgl. hierzu zuletzt BFH-Beschlüsse vom 12.5.2003, GrS 1/00, BFH/NV 2003, S. 1480 = INF 2003, S. 804; vom 12.5.2003, GrS 2/00, BFH/NV 2003, S. 1484 = INF 2003, S. 803

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