Leitsatz
- Wirtschaftgüter, die zum Zwecke der dauerhaften Einbindung in einen bereits bestehenden Geschäftsbetrieb erworben werden, sind – vorbehaltlich eines Gestaltungsmissbrauchs – auch dann im Anlagevermögen auszuweisen, wenn die gesamte organisatorische Einheit (Betrieb einschließlich erworbener Wirtschaftgüter) kurze Zeit später mit der Absicht ihrer Weiterführung veräußert wird.
- Gleiches gilt, wenn der Betrieb zwar aufgrund des Zurückbehalts wesentlichen Sonderbetriebsvermögens (hier: Grundstücke) i.S. von § 16 Abs. 3 EStG aufgegeben, durch dessen Vermietung an den Betriebserwerber die fortdauernde Funktionsfähigkeit der bisherigen unternehmerischen Einheit jedoch sichergestellt wird.
- Die Anweisung in R 44 Abs. 2 Satz 3 EStR 2003 zur Inanspruchnahme von Halbjahresabschreibungen für vor dem 1.1.2004 erworbene (oder hergestellte) bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens bindet die Gerichte nicht, wenn sie zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würde (hier: Minderung des laufenden Gewinns zu Gunsten eines höheren Veräußerungs- oder Aufgabegewinns).
Sachverhalt
Eheleute waren Kommanditisten einer KG sowie alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer der Komplementär-GmbH. Im Dezember 1985 übertrugen sie ihre GmbH-Anteile an D und vereinbarten, dass die KG ihren Geschäftsbetrieb, eine Großwäscherei, zum 2.1.1986 an die GmbH für 3,5 Mio. DM veräußert. Ausgenommen war nur der Grundbesitz, der an die GmbH verpachtet wurde. Die KG stellte zum 2.1.1986 ihren Geschäftsbetrieb ein und wurde danach im Handelsregister gelöscht.
Im Dezember 1985 erwarb die KG bisher geleaste technische Anlagen, Maschinen und Fahrzeuge. Diese wies sie in ihrer Bilanz zum 31.12.1985 als Anlagevermögen aus und nahm hierauf unter Anwendung der Halbjahresregelung degressive Abschreibungen in Höhe von 146226 DM vor. Der Erwerb der Wirtschaftsgüter wurde aus der ersten, bei Vertragsschluss fälligen Kaufpreisrate für die Übertragung des Geschäftsbetriebs finanziert. Das Finanzamt erkannte die Abschreibungen unter Hinweis auf § 42 AO nicht an, weil die Wirtschaftsgüter nicht zum Anlagevermögen, sondern zum Umlaufvermögen der KG gehört hätten. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage, mit der geltend gemacht wurde, der Kaufinteressent sei nicht bereit gewesen, die Leasingverträge fortzuführen, was die Anwendbarkeit des § 42 AO ausschließe, wies das FG mit der Begründung ab, die bisher geleasten Wirtschaftsgüter seien nur zwecks Weiterveräußerung im Zusammenhang mit der Übertragung des Geschäftsbetriebs erworben worden und könnten daher nicht dem Anlagevermögen zugerechnet werden. Auf die Revision hat der BFH das Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen.
Entscheidung
Abschreibungen nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 EStG können nur für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens gewährt werden. Der Begriff des Anlagevermögens ist grundsätzlich nach handelsrechtlichen Vorschriften zu bestimmen. Nach § 152 Abs. 1 Satz 1 AktG i.V.m. § 247 Abs. 2 HGB sind im Anlagevermögen die Gegenstände auszuweisen, die am Abschlussstichtag dazu bestimmt sind, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen. Zum Umlaufvermögen zählen daher die Gegenstände, die zum Verbrauch oder zur sofortigen Veräußerung bereitgehalten werden.
Hätte die KG ihren Geschäftsbetrieb fortgeführt statt veräußert, bestünde kein Zweifel, dass die bisher geleasten Wirtschaftsgüter Anlagevermögen der KG dargestellt hätten. Denn dann wären sie dazu bestimmt gewesen, dem Betrieb dauerhaft zu dienen. Daraus, dass die Wirtschaftsgüter im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Veräußerung des Gesamtbetriebs – und möglicherweise sogar auf Drängen des Käufers der GmbH-Anteile – angeschafft wurden, kann nichts anderes abgeleitet werden. Denn die Veräußerung der Wäscherei – einschließlich der zuvor geleasten Wirtschaftsgüter – lässt den Fortbestand des Geschäftsbetriebs als organisatorische Einheit unberührt und ist damit nicht geeignet, die dauerhafte Einbindung der erworbenen Anlagegüter in den übergegangenen und von der GmbH fortzuführenden Betrieb in Frage zu stellen. Insoweit ist es auch unerheblich, ob die Tarifbegünstigung des insgesamt erzielten Gewinns auf einer Betriebsveräußerung oder einer Betriebsaufgabe beruht.
Dennoch bestehen angesichts der zeitlichen Zusammenhänge Bedenken, ob die Zuordnung der Wirtschaftsgüter zum Anlagevermögen der KG zutreffend ist. Zum einen hat das FG keine nachvollziehbaren Feststellungen zu dem Zeitpunkt getroffen, zu dem das wirtschaftliche Eigentum an den zuvor geleasten Wirtschaftsgütern auf die KG übergegangen ist. Zum anderen ist ein Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO nicht von der Hand zu weisen. Denn gemessen an dem einfacheren und nahe liegenden Direkterwerb der Leasinggüter durch die GmbH ist der Durchgangserwerb bei der KG geeignet, die Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs in Form der Minderung des laufenden Gewinns zu Lasten des tarifbegünstigten Veräußerungs- oder Aufgabegewinns zu begründen. Das muss das FG im zwe...