Leitsatz

Im Unterschied zu einer Gemeinschaftspraxis (Mitunternehmerschaft) hat eine Büro- und Praxisgemeinschaft lediglich den Zweck, den Beruf in gemeinsamen Praxisräumen auszuüben und bestimmte Kosten von einer Praxisgemeinschaft tragen zu lassen und umzulegen. Ein einheitliches Auftreten nach außen genügt nicht, um aus einer Bürogemeinschaft eine Mitunternehmerschaft werden zu lassen.

 

Sachverhalt

Steuerberater T sowie die beiden Rechtsanwälte L und B hatten ihre selbständigen Kanzleien nach außen in Form einer Sozietät und nach innen in Form einer Bürogemeinschaft verbunden. Dazu gründeten sie zum 1.1.1996 eine GbR, deren Zweck die gemeinsame Berufsausübung war. Sie vereinbarten u.a., dass jeder Partner seine Tätigkeit unabhängig und in eigener Verantwortung ausübt und dass die GbR nach außen unter gemeinsamem Praxisschild und Briefpapier auftritt. Im April 1996 veräußerte T einen 25 %-igen Anteil seiner Beteiligung an der GbR an die Steuerberaterin U. Das Finanzamt lehnte für die L-T-B-U & Partner GbR die Durchführung einer einheitlichen und gesonderten Feststellung ab, da es die GbR nicht als Mitunternehmerschaft ansah. Es stellte die Einkünfte der T & U Steuerberatersozietät einheitlich und gesondert fest und sah dabei die Veräußerung an U nicht als begünstigt an. Das FG wies die Klage des T gegen beide Bescheide ab.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigt die Auffassung von Finanzamt und -gericht. Eine freiberufliche Mitunternehmerschaft in der Form einer Gemeinschaftspraxis (Sozietät) setzt eine gemeinschaftliche Gewinnerzielungsabsicht auf der "Ebene der Gesellschaft" voraus. Aus den im Gesellschaftsvertrag getroffenen Vereinbarungen, wonach

  • jeder Partner das Betriebsergebnis für seinen Bereich völlig getrennt ermittelt,
  • alle der gemeinschaftlichen Berufsausübung dienenden Gegenstände und der Praxiswert Vermögen des einzelnen Partners bleiben,

geht aber eindeutig hervor, dass keine gemeinschaftliche, sondern eine individuelle Gewinnerzielung beabsichtigt war. Hier ist lediglich eine Bürogemeinschaft vereinbart worden. Allein das einheitliche Auftreten nach außen genügt nicht, um die Bürogemeinschaft zur Mitunternehmerschaft werden zu lassen. Damit scheidet eine begünstigte Anteilsveräußerung von T an U von Vornherein aus. T hat erst durch die Veräußerung eines Teils seiner Einzelpraxis eine Mitunternehmerschaft mit U begründet.

 

Praxishinweis

Der BFH verwendet in dieser Entscheidung – soweit ersichtlich – zum ersten Mal den Ausdruck "gemeinschaftliche Gewinnerzielungsabsicht". Der Grund dürfte auch darin liegen, dass sich der BFH mit Streitigkeiten der vorliegenden Art – also ob eine Gesellschaft, die sich selbst als Mitunternehmerschaft sieht, lediglich als Bürogemeinschaft anzusehen ist – kaum zu beschäftigten hatte. Die im anderen Zusammenhang verwendete Formulierung zur Gewinnerzielungsabsicht von Personengesellschaften lautete stets, dass bei Personengesellschaften die Gewinnerzielungsabsicht auf eine Mehrung des Betriebsvermögens der Gesellschaft gerichtet sein muss[1]. Dieses Erfordernis kommt im Besprechungsurteil durch die Formulierung "auf der Ebene der Gesellschaft" zum Ausdruck. Mit dem Ausdruck "gemeinschaftliche Gewinnerzielungsabsicht" umschreibt der BFH somit kurz und plastisch das gleichgerichtete Interesse der Gesellschafter an der Mehrung des Betriebsvermögens der Gesellschaft.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 14.4.2005, XI R 82/03

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