Leitsatz
Dass Kapitalanleger und Fondsgesellschaft beide das Ziel verfolgen, durch Handel an internationalen Finanzterminmärkten mittelfristig einen Kapitalzuwachs zu erreichen, reicht für die Annahme eines für eine stille Gesellschaft erforderlichen gemeinsamen Zwecks nicht aus. Ein Genussrecht liegt vor, wenn dem Rechtsinhaber zwar schuldrechtliche Ansprüche, nicht aber gesellschaftsrechtlich geprägte Mitgliedschaftsrechte vermittelt werden.
Sachverhalt
Das Finanzamt erfasste bei der geänderten Veranlagung 1998 von Eheleuten einen Betrag von 21466 DM als Einnahmen aus Kapitalvermögen (Beteiligung an einem Handelsgewerbe in Form einer stillen Gesellschaft nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Die Änderung erfolgte aufgrund einer Kontrollmitteilung, wonach sich die Ehefrau auf Vermittlung einer Vertriebsgesellschaft mit 20000 DM an einer Fondsgesellschaft beteiligt hatte. Die Beteiligungsanteile an der Fondsgesellschaft wurden von der Gesellschaft als "Genussrechte" bezeichnet, über die Beteiligung wurde von der Fondsgesellschaft ein Genussschein ausgestellt. Nach dem Zeichnungsschein für Genussrechte war der von der Fondsgesellschaft herausgegebene Prospekt Vertragsgegenstand. Bei der Fondsgesellschaft handelte es sich um eine Kapitalgesellschaft (Anlage-Holding Gesellschaft mit beschränkter Haftung) mit Sitz auf den Bermudas, die das im Rahmen der Genussrechtszeichnung zur Verfügung gestellte Kapital für Rechnung der Genussrechtsinhaber in sog. Futures-Geschäfte investierte.
Der BFH hält die Revision für begründet. Der Gewinn der Steuerpflichtigen aus der Rückgabe ihres Genussrechts an die Fondsgesellschaft am 1.7.1998 unterliegt nicht als Einnahmen aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG der Besteuerung. Entgegen der Auffassung des FG ist mit der Beteiligung der Steuerpflichtigen von 20000 DM am Kapitalanlagemodell der Fondsgesellschaft keine stille Gesellschaft begründet worden. Die stille Gesellschaft erfordert einen gemeinsamen Zweck. Das bedeutet, dass das gemeinsame Streben zur Erreichung gemeinsamer Ziele im Vordergrund stehen muss. Vorliegend ist keine stille Gesellschaft anzunehmen. Dafür spricht sowohl der Wortlaut der getroffenen Vereinbarung, in der von einem Genussrecht die Rede ist, als auch die fehlende Erwähnung des Begriffs der stillen Gesellschaft. Von den Vertragsparteien gewählte Formulierungen können – besonders in Grenzfällen – indizielle Bedeutung haben.
Das Rechtsverhältnis zwischen der Steuerpflichtigen und der Fondsgesellschaft ist vielmehr als Genussrechtsverhältnis zu beurteilen. Zwar existiert eine gesetzliche Definition des Genussrechts nicht. Nach herrschender Meinung ist aber von einem Genussrecht auszugehen, wenn dem Rechtsinhaber gegen das die Genussrechte ausgebende Unternehmen zwar schuldrechtliche Ansprüche, nicht aber gesellschaftsrechtlich geprägte Mitgliedschaftsrechte vermittelt werden, dem Rechtsinhaber Vermögensrechte zugestanden werden, die typischerweise nur Gesellschaftern zustehen, die Rechte in großer Zahl und nicht nur vereinzelt begeben und dem Rechtsinhaber keine aktiven Mitverwaltungsrechte eingeräumt werden. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 8.4.2008, VIII R 3/05.