Begriff

Unter vorweggenommener Erbfolge sind Vermögensübertragungen unter Lebenden mit Rücksicht auf die künftige Erbfolge zu verstehen.[1] Der Übernehmer soll nach dem Willen der Beteiligten wenigstens teilweise eine unentgeltliche Zuwendung erhalten.

Anschaffungskosten

Bei der Beurteilung über das Vorliegen einer vorweggenommenen Erbfolge erfolgt immer der Vergleich zu einem entgeltlichen Veräußerungsgeschäft. Ein entgeltliches Veräußerungsgeschäft liegt immer dann vor, wenn die Werte der Leistung und Gegenleistung wie unter Fremden nach kaufmännischen Gesichtspunkten abgewogen sind. Dies gilt auch bei nicht ausgewogenen Werten, wenn Veräußerer und Erwerber von einer Gleichwertigkeit ausgegangen sind.

Je nach Art der im Rahmen der Grundstücksübertragung durch vorweggenommene Erbfolge vereinbarten Leistungen liegt eine voll unentgeltliche oder eine teilentgeltliche Übertragung vor. Ein teilweise entgeltlicher Erwerb ist gegeben, wenn der Übernehmer Gegenleistungen zu erbringen hat, die steuerlich Anschaffungskosten darstellen, aber wesentlich geringer sind als der Verkehrswert des übertragenen Grundstücks. Anschaffungskosten liegen vor, wenn der Übernehmer

  • Gleichstellungsgelder an Angehörige zu bezahlen hat oder
  • Verbindlichkeiten übernehmen muss oder
  • Abstandszahlungen an den Übergeber zu leisten hat.[2]

Übernahme von Schulden

Bei der Übernahme von Verbindlichkeiten des Übergebers spielt es keine Rolle, ob die Verbindlichkeiten in Zusammenhang mit dem übernommenen Grundstück stehen oder ob es sich um andere Schulden (z. B. Steuerschulden oder Darlehensverbindlichkeiten für andere Grundstücke) handelt.

Aufteilung

Bei einem teilweise entgeltlichen Erwerb ist der Vorgang in einen unentgeltlichen und einen entgeltlichen Teil aufzuspalten. Dabei berechnen sich der entgeltlich und der unentgeltlich erworbene Teil des Grundstücks nach dem Verhältnis des Entgelts (ohne Anschaffungsnebenkosten) zu dem Verkehrswert des Grundstücks.

 
Praxis-Tipp

Gesonderte Preise für Grund und Boden und Gebäude vereinbaren

Um die Aufteilung auf Grund und Boden und Gebäude zu erleichtern, wird empfohlen, jeweils gesonderte Preise für Grund und Boden und Gebäude im Übergabevertrag zu vereinbaren. Diese von den Vertragsparteien vorgenommene Aufteilung des Kaufpreises ist auch in Fällen der gemischten Schenkung zugrunde zu legen, wenn die Zuordnung nach außen hin erkennbar ist und die Aufteilung nicht zu einer nach § 42 AO unangemessenen wertmäßigen Berücksichtigung der einzelnen Wirtschaftsgüter führt.[3]

Anteilige Alt-AfA

Für den unentgeltlich erworbenen Teil führt der neue Eigentümer die anteilige Abschreibung fort. Er kann die AfA insgesamt nur bis zu dem Betrag abziehen, der anteilig von der Bemessungsgrundlage des Übergebers nach Abzug der bisherigen AfA und Sonderabschreibungen noch verblieben ist.

Neue Bemessungsgrundlage

Für den entgeltlich erworbenen Teil kommt nur die normale (lineare) Abschreibung mit 2 % bzw. 2,5 % der Anschaffungskosten in Betracht. Wurde das Gebäude nach dem 31.12.2022 fertiggestellt, beträgt die jährliche AfA-Rate 3 % der Bemessungsgrundlage.

Die nach dem 30.9.2023 gültige degressive Abschreibung für Wohnungen kann in Anspruch genommen werden, wenn der Erwerb im Jahr der Fertigstellung erfolgt. Ausgenommen ist die unentgeltliche Übertragung, wenn der Übertragende die degressive AfA aus den älteren Regelungen des § 7 Abs. 5 EStG in Anspruch genommen hat.

Die aktuelle degressive AfA nach § 7 Abs. 5a EStG beträgt 5 % des Restbuchwerts. Dies gilt für folgende Gebäude:

bei Herstellung nach dem 30.9.2023 und vor dem 1.10.2029,

bei Anschaffung, wenn der obligatorische rechtswirksame Kaufvertrag nach dem 30.9.2023 und vor dem 1.10.2029 abgeschlossen wurde.

 
Praxis-Beispiel

Teilentgeltlicher Erwerb

Der Vater des A überträgt zum 31.12.2023 seinem Sohn B ein Mehrfamilienhaus im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Das Mietwohngrundstück ist schuldenfrei und hat einen Verkehrswert von 1 Mio. EUR. Davon entfallen auf das Gebäude 800.000 EUR und 200.000 EUR auf den Grund und Boden. Der Vater hatte das Gebäude zum 1.1.1994 erworben. Die Anschaffungskosten des Vaters für das Gebäude betrugen 600.000 EUR und wurden jährlich mit 2 % abgeschrieben. Der Sohn B hat seiner Schwester ein Gleichstellungsgeld von 500.000 EUR zu zahlen (50 % des Verkehrswerts des Mietwohngrundstücks).

Die vorweggenommene Erbfolge besteht aus einem entgeltlichen und einem unentgeltlichen Teil. Der entgeltliche Teil ergibt sich aus dem Gleichstellungsgeld von 500.000 EUR an die Schwester. Davon entfallen 400.000 EUR auf das Gebäude und 100.000 EUR auf den Grund und Boden. Da der Sohn den hälftigen Verkehrswert als Gleichstellungsgeld entrichtet, ergibt sich, dass der Sohn B das Mietwohngrundstück je zur Hälfte entgeltlich und unentgeltlich erworben hat.

Die AfA-Bemessungsgrundlage sowie das AfA-Volumen ab 2024 berechnen sich wie folgt:

 
Berechnung Unentgeltlich erworbener Teil Entgeltlich erworbener Teil
Bemessungsgrundlage ab 2024

300.000 EUR

(50 % von 600.000 EUR)
400.000 EUR

Dieser Inhalt ist unter anderem im WohnungsWirtschafts Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?