Gerhard Jaser, Jörg Wilde
Zusammenfassung
Wenn jemand unentgeltlich ein Grundstück mit einem Gebäude übertragen erhält, ist dies zwar die angenehmste Art des Erwerbs, aber spätestens beim Ausfüllen der Einkommensteuererklärung stellt sich für ihn die Frage: Welche Abschreibung kann ich eigentlich vornehmen?
Zunächst muss unterschieden werden zwischen voll und teilweise unentgeltlichem Erwerb. Da die Abschreibung bei einem unentgeltlichen Erwerb in den meisten Fällen gering ausfällt, ist bei Übertragungen zwischen Angehörigen zu überlegen, ob nicht ein entgeltlicher oder zumindest ein zum Teil entgeltlicher Erwerb aus steuerlichen Gründen vorteilhafter wäre.
Die Abschreibung bei unentgeltlichem Erwerb ist in § 11d EStDV geregelt.
Die Finanzverwaltung hat zur ertragsteuerlichen Behandlung der vorweggenommenen Erbfolge in den BMF-Schreiben v. 9.7.1990 und v. 13.1.1993 und im Schreiben v. 14.3.2006 zur ertragsteuerlichen Behandlung der Erbengemeinschaft ausführlich Stellung genommen.
Wachstumschancengesetz v. 27.3.2024, BStBl I 2024, Nr. 108
Bei teilentgeltlichen Übertragungen besteht die Gefahr, dass ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn i. S. d. § 23 EStG anfällt, und zwar
- beim bisherigen Eigentümer, falls die Übertragung innerhalb von 10 Jahren seit dem Grundstückserwerb erfolgt und er die Wohnung nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat bzw.
- beim neuen Eigentümer, wenn dieser das Grundstück innerhalb von 10 Jahren seit der Übertragung veräußert, sofern dieser es nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat.
- Soweit eine Übertragung teilweise entgeltlich erfolgte, kann der neue Eigentümer eine degressive Abschreibung des Rechtsvorgängers nicht fortführen.
1 Abschreibung bei unentgeltlichem Erwerb
Schenkung und Erbschaft
Ein unentgeltlicher Grundstückserwerb liegt vor,
- wenn ein Grundstückseigentümer sein Grundstück auf einen anderen überträgt, ohne dass eine Gegenleistung oder die Übernahme von Verbindlichkeiten oder Verpflichtungen vereinbart werden bzw.
- wenn jemand ein Grundstück im Wege der Erbschaft erhält. Das gilt auch dann, wenn der Erbe Schulden des Erblassers übernehmen muss oder Zahlungen aufgrund eines Vermächtnisses zu leisten hat.
Fortführung der AfA
Gem. § 11d EStDV bemessen sich bei einem nicht zu einem Betriebsvermögen gehörenden Gebäude, das der Steuerpflichtige unentgeltlich erworben hat, die Absetzungen für Abnutzung
- nach den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Rechtsvorgängers und
- nach dem Prozentsatz, der für den Rechtsvorgänger maßgebend sein würde, wenn er noch Eigentümer des Wirtschaftsguts wäre.
Mit anderen Worten: Der Erwerber kann die gleiche AfA vornehmen wie der Rechtsvorgänger. Für die Abschreibung wird praktisch nur das Namensschild für den Eigentümer ausgewechselt. Die AfA-Berechnung bleibt die gleiche, wenn der Begünstigte das Objekt weiter zur Einkunftserzielung nutzt.
AfA nach Übertragung
C möchte noch zu Lebzeiten seinen Nachlass regeln. Hierzu überträgt er zum 1.7.2024 seinem Sohn ein vollständiges an Dritte vermietetes Mietwohngebäude. Der Vater hatte das in 1964 fertiggestellte Gebäude im Januar 2001 zum Preis von 500.000 EUR erworben und mit jährlich 2 % abgeschrieben. Der Sohn tritt nach der Übertragung in die Mietverträge ein und vermietet die Wohnungen des Objekts weiter an Dritte. Da es sich bei der Übertragung um eine voweggenommene Erbfolge handeln sollte, hat der Vater kein Entgelt vom Sohn verlangt. Das Objekt ist unbelastet. Ausgleichzahlungen an Geschwister fallen nicht an.
Der Sohn kann trotz des unentgeltlichen Erwerbs die AfA des Vaters fortsetzen. Die bisherige AfA des Vaters ist fortzusetzen. Der Gesamtabschreibungszeitraum beträgt 50 Jahre. Der Vater hat bereits 23 Jahre und 6 Monate abgeschrieben (Volumen 235.000 EUR). Dem Sohn bleibt noch ein AfA-Zeitraum von 26 Jahren und 6 Monaten (Volumen 265.000 EUR).
Die Vorschrift ist auch anwendbar, wenn der Rechtsvorgänger das Objekt zuvor aus seinem Betriebsvermögen entnommen hat. AfA-Berechnungsgrundlage für den Begünstigten ist hier der Entnahmewert.
Folge
Für denjenigen, der unentgeltlich ein Gebäude übertragen erhält, für das der Rechtsvorgänger nur eine niedrige AfA vornehmen konnte, weil die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten vor 20 oder 30 Jahren für heutige Verhältnisse gering waren, bedeutet dies, dass die AfA zu keiner großen Steuerersparnis führen wird.
Sollte man ein Grundstück bei einer Verlosung gewinnen und anschließend vermieten, kann keine AfA berechnet und abgezogen werden, da dem Erwerber keine Anschaffungskosten entstehen.
Grundstücksgewinn
D zieht das große Los bei einer Lotterie und gewinnt ein Einfamilienhaus. Da C aber bereits ein Einfamilienhaus sein Eigen nennt und bewohnt, vermietet er das gewonnene Haus an eine fremde Familie.
Bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung kann C mangels Anschaffungskosten keine AfA berechnen und abziehen.
Hat der Rechtsvorgänger für das übertragende Gebäude bereits die vollständige Abschreibung ausgenutzt, kann der Rechts...