Leitsatz
- Die Finanzbehörde verstößt nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn sie die Formgültigkeit einer Abtretungsanzeige wegen fehlender Angabe des Abtretungsgrunds in einem Zeitpunkt beanstandet, in dem sie bereits Kenntnis von dem Abtretungsgrund hat.
- Die Abtretungsanzeige stellt eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung dar. Bei der Ermittlung des in ihr verkörperten Willens sind nur solche Umstände zu berücksichtigen, die für die Finanzbehörde als Empfänger im Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung erkennbar gewesen sind.
- Die mangelnde Angabe des Abtretungsgrunds kann nicht nachgeholt werden, wenn dessen Bezeichnung gänzlich fehlte.
Sachverhalt
Dem Finanzamt war 1997 eine Abtretungsanzeige betreffend Einkommensteuererstattungsansprüche übergeben worden, bei der in dem Abschnitt "Grund der Abtretung" das Kästchen "Sicherungsabtretung" geschwärzt und das für die Angabe eines Abtretungsgrunds vorgesehene Feld nicht ausgefüllt war. Weitere Abtretungsanzeigen zugunsten anderer Zessionare folgten, eine enthielt eine Eintragung zum Abtretungsgrund. Nach Erlass des betreffenden Einkommensteuerbescheids, aus dem sich ein Steuererstattungsanspruch ergab, verrechnete das Finanzamt das Guthaben mit Steuerschulden der Zedenten. Die Auszahlung des Erstattungsbetrags an den ersten Zessionar verweigerte das Finanzamt, weil die Abtretungsanzeige nicht wirksam sei; es fehle die Angabe eines Abtretungsgrunds. Gegen den hierüber ergangenen Abrechnungsbescheid erhob der Zessionar Klage.
Entscheidung
Der Abrechnungsbescheid ist rechtmäßig. Eine Abtretungsanzeige ist nur wirksam, wenn sie eine zumindest schlagwortartige Bezeichnung des Abtretungsgrunds enthält. Es muss für das Finanzamt nachprüfbar sein, ob ein Fall des (unwirksamen) geschäftsmäßigen Erwerbs i.S. des § 46 Abs. 4 Satz 1 AO vorliegt. Allerdings können bei der Auslegung der Anzeige Umstände berücksichtigt werden, die für das Finanzamt im Zeitpunkt des Zugangs erkennbar sind. Aber nur solche, nicht erst nachträglich erkennbar werdende!
Es liegt auch kein treuwidriges Verhalten des Finanzamts darin, dass dieses zunächst – in der irrigen Annahme, es liege eine Sicherungsabtretung vor – Angaben zum Sicherungsgrund verlangt und sich auf mangelhafte Angaben zum Abtretungsgrund erst berufen hat, als es erkannt hatte, dass kein geschäftsmäßiger Erwerb von Steuerforderungen vorliegt. Denn das Finanzamt war nicht verpflichtet, die Sach- und Rechtslage frühzeitig abschließend zu prüfen und den Betroffenen darauf hinzuweisen, dass sich für ihn Nachteile aus der Formfehlerhaftigkeit der Abtretungsanzeige ergeben können.
Überdies kann der Unwirksamkeit der Abtretung im Hinblick auf konkurrierende Zessionare (Rang der Abtretung!) kein angebliches Fehlverhalten des Finanzamts entgegenhalten werden.
Praxishinweis
Abtretungsanzeigen, die nicht in allen Einzelheiten der amtlich vorgeschriebenen Form entsprechen oder bei denen der amtliche Vordruck unvollständig oder fehlerhaft ausgefüllt worden ist, machen die Abtretung nicht von vornherein unwirksam. Sie können unter Berücksichtigung außerhalb der Urkunde liegender Umstände ausgelegt werden. Zedent und Zessionar sowie die Art des abgetretenen Anspruchs müssen allerdings aus der Abtretungsanzeige selbst eindeutig erkennbar sein. Die Angaben zum Abtretungsgrund können dem Finanzamt nur Anhaltspunkte geben, die Rückschlüsse auf die Geschäftsmäßigkeit der Abtretung ermöglichen und unter Umständen Anlass zu weiteren Ermittlungen sind. Es genügt daher eine kurze stichwortartige Kennzeichnung des der Abtretung zugrunde liegenden schuldrechtlichen Lebenssachverhalts.
Offen ist, ob auch eine gänzlich fehlende Angabe zum Abtretungsgrund dann § 46 Abs. 3 AO genügt, wenn sich aus den Umständen des Falls kein Hinweis auf einen unzulässigen geschäftsmäßigen Erwerb ergibt.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 5.10.2004, VII R 37/03