Grundsatz
Alle 16 Landesdenkmalschutzgesetze regeln, in den Grundzügen inhaltlich im Wesentlichen übereinstimmend, einen Umgebungsschutz für Kulturdenkmäler. Damit soll sichergestellt werden, dass der Bestand und das Erscheinungsbild von Kulturdenkmälern nicht durch bauliche und sonstige Vorhaben in deren Umgebung beeinträchtigt wird (denkmalschutzrechtliches Beeinträchtigungsverbot).
Seit dem Urteil des BVerwG vom 21.4.2009, 4 C 3/08 ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Umgebungsschutz für Kulturdenkmäler nicht nur dem kulturstaatlichen Allgemeininteresse dient, sondern dem Eigentümer eines geschützten Kulturdenkmals auch einen Anspruch auf Schutz vor Beeinträchtigungen der Denkmalwürdigkeit seines Denkmals durch Vorhaben in dessen Umgebung einräumt.
Gerichtsentscheidung
Dieser durch das BVerwG vorgegebenen Linie folgt das Niedersächsische OVG in seiner Entscheidung über die Anfechtungsklage des Eigentümers einer denkmalgeschützten Gutsanlage gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Windkraftanlage in 544 m Entfernung vom Gutshof.
Eigentumsgarantie
Nach Auffassung des Gerichts ist es mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht zu vereinbaren, wenn dem Eigentümer eines geschützten Kulturdenkmals von vornherein kein Anspruch auf Schutz vor Beeinträchtigungen der Denkmalwürdigkeit seiner Immobilie durch Vorhaben in deren Umgebung zugestanden würde. Insofern sei es verfassungsrechtlich geboten, dem Denkmaleigentümer ein Abwehrrecht gegen erhebliche Beeinträchtigungen seines Denkmals durch Bau- oder sonstige Vorhaben in dessen Umgebung zuzubilligen.
Erheblichkeitsschwelle
Allerdings kann sich der Denkmaleigentümer nicht gegen jedwede Beeinträchtigung auch unterhalb der Schwelle der erheblichen Beeinträchtigung zur Wehr setzen. Abwehrbar sind nach Auffassung des Gerichts nur Beeinträchtigungen oberhalb dieser Schwelle. Wann demnach eine erhebliche Beeinträchtigung des Erscheinungsbilds eines Baudenkmals anzunehmen ist, lässt sich allerdings nicht allgemeingültig bestimmen, sondern hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls, insbesondere von dem Denkmalwert und der Intensität des Eingriffs, ab. Je höher der Wert des Denkmals einzuschätzen ist, so das Gericht, desto eher kann eine erhebliche Beeinträchtigung von dessen Erscheinungsbild anzunehmen sein. Je schwerwiegender das Erscheinungsbild betroffen ist, desto eher kann die Schwelle der Unzumutbarkeit überschritten sein.
Grundsätzlich gilt nach Auffassung des Gerichts, dass hinzutretende bauliche Anlagen in der Umgebung eines Kulturdenkmals sich an dem Maßstab messen lassen müssen, den das Denkmal gesetzt hat. Sie dürfen es nicht gleichsam erdrücken, verdrängen, übertönen oder die gebotene Achtung gegenüber den Werten außer Acht lassen, die das Denkmal verkörpert.
Fazit
In Bezug auf die streitige Windkraftanlage in 544 m Entfernung von der denkmalgeschützten Gutsanlage hat das Gericht eine erhebliche Beeinträchtigung deren Erscheinungsbilds bejaht und der Klage stattgegeben.
(Niedersächsisches OVG, Urteil v. 23.8.2012, 12 LB 170/11, BauR 2013 S. 936)