Leitsatz
Legt eine Personen-Obergesellschaft ihr Wirtschaftsjahr abweichend von den Wirtschaftsjahren der Untergesellschaften fest, so liegt hierin jedenfalls dann kein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts, wenn dadurch die Entstehung eines Rumpfwirtschaftsjahrs vermieden wird.
Sachverhalt
Eine Holding GmbH & Co. KG erwirbt, veräußert und verwaltet seit ihrer Gründung im Januar des Streitjahrs 1992 Beteiligungen an anderen Unternehmen. Ihre Geschäftsführung und Vertretung oblag der Komplementär-GmbH. Die Kommanditisten der Holding-KG verpflichteten sich, ihre Anteile an der L-KG und der P-KG mit Wirkung ab 1.2.1992 auf die Holding zu übertragen. Aufgrund dieser Abtretung hält die seit Mai 1992 im Handelsregister eingetragene Holding die Anteile an der L- und der P-KG. Deren Wirtschaftsjahre entsprechen dem Kalenderjahr. Dagegen läuft das Geschäftsjahr der Holding KG laut Gesellschaftsvertrag vom 1.2. bis 31.1. Das Finanzamt sah die Wahl des vom Kalenderjahr und damit von den Wirtschaftsjahren der Untergesellschaften abweichenden Wirtschaftsjahrs als rechtsmissbräuchlich an. Es stellte den Gewinn deshalb abweichend von den Erklärungen der Holding höher fest. Die dagegen nach weitgehend erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg. Mit der Revision rügt das Finanzamt die Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidung
Die Holding hat ihr Wirtschaftsjahr zu Recht gemäß § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG auf den Zeitraum vom 1.2. bis 31.1. des Folgejahrs festgelegt. Nach dieser Vorschrift durfte sie zumindest wegen ihrer gewerblichen Prägung den Zeitraum als Wirtschaftsjahr bestimmen, für den sie regelmäßig Abschlüsse macht. Dabei umfasst der Zeitraum, für den die Holding regelmäßig Abschlüsse i.S. des § 242 Abs. 3 HGB macht, grundsätzlich zwölf Monate. Das handelsrechtlich gewählte Geschäftsjahr gilt bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen des § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG wegen § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG auch für das (steuerrechtliche) Wirtschaftsjahr. Die Wahl des handels- und steuerrechtlichen Wirtschaftsjahrs übte die Holding in Übereinstimmung mit der gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung mit der Erstellung des ersten regelmäßigen Jahresabschlusses am 31.10.1993 aus.
Durch die Wahl des abweichenden Wirtschaftsjahrs hat die Holding kein Steuergesetz i.S. des § 42 Abs. 1 Satz 1 AO umgangen; insbesondere war sie nicht gehalten, für den Zeitraum vom 1.2.1992 bis 31.12.1992 ein Rumpfwirtschaftsjahr zu bilden. Dem ist schon entgegenzuhalten, dass das Wirtschaftsjahr i.S. des § 4a EStG im Regelfall zwölf Monate umfasst und nur in Ausnahmefällen eine Abweichung zulässig ist. Zudem stellt der Gesetzgeber die erstmalige Wahl des Wirtschaftsjahrs mit § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG ausdrücklich in die Disposition des Gewerbetreibenden; ein Einvernehmen mit dem Finanzamt ist allein für eine Umstellung des Wirtschaftsjahrs gemäß § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Satz 2 EStG erforderlich. Eine darüber hinaus gehende Beschränkung für die Wahl eines abweichenden Wirtschaftsjahres – durch die Notwendigkeit wichtiger betrieblicher Gründe oder einer Zustimmung des Finanzamts – ist bewusst nicht in das Gesetz aufgenommen worden.
Praxishinweis
Das Recht des Steuerpflichtigen, seine rechtlichen Verhältnisse so zu gestalten, dass sich eine möglichst geringe steuerliche Belastung ergibt, wird durch § 42 AO nur für solche Gestaltungen begrenzt, die ausschließlich der Steuerminderung dienen und bei sinnvoller, Zweck und Ziel der Rechtsordnung berücksichtigender Auslegung des Gesetzes missbilligt werden. Danach kann ausnahmsweise auch die Wahl eines abweichenden Wirtschaftsjahrs durch eine Personen-Obergesellschaft im Fall einer Neugründung rechtsmissbräuchlich sein, wenn die Gesellschaft ihr Wirtschaftsjahr ohne branchenspezifische oder sonstige plausible Gründe derart festlegt, dass dadurch eine einjährige Steuerpause eintritt.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 9.11.2006, IV R 21/05