Leitsatz
Unverzinsliche Gesellschafterdarlehen sind nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 EStG abzuzinsen. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn sie aus handelsrechtlicher Sicht eigenkapitalersetzenden Charakter haben.
Sachverhalt
Klägerin ist eine GmbH, die von ihrem Gesellschafter 1998 ein unverzinsliches Darlehen erhalten hatte. Klage und Revision gegen die vom Finanzamt nach einer Betriebsprüfung durchgeführte Abzinsung des Darlehens blieben erfolglos.
Entscheidung
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG sind Verbindlichkeiten unter sinngemäßer Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzusetzen und mit 5,5 % abzuzinsen. Die Abzinsung unterbleibt u.a. bei Verbindlichkeiten, deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als zwölf Monate beträgt, und bei verzinslichen Verbindlichkeiten.
Fraglich ist zunächst, wann ein Darlehen auf unbestimmte Zeit gewährt worden ist. Der Schuldner eines Darlehens ohne feste Laufzeit muss zwar stets mit dessen fristgerechter Kündigung und anschließender Rückzahlung rechnen. Auch wird ein Erwerber des Schuldnerbetriebs die Gefahr einer alsbaldigen Kündigung jedenfalls dann in seine Preisvorstellungen einkalkulieren, wenn er nicht entweder zugleich die Darlehensforderung erwirbt oder eine Verlängerung des Darlehens erreichen kann. Darauf kann aber im Zusammenhang mit § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht entscheidend abgestellt werden. Denn das Abzinsungsgebot für Verbindlichkeiten beruht auf der typisierenden Vorstellung, dass eine erst in der Zukunft zu erfüllende Verpflichtung den Schuldner weniger belastet als eine sofortige Leistungspflicht. Daher ist es sachgerecht, die Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG vorrangig am Gesichtspunkt der tatsächlichen wirtschaftlichen Belastung auszurichten. Diese hängt aber nicht (nur) von der zivilrechtlichen Ausgangslage, sondern davon ab, wie lange der Schuldner nach den tatsächlichen Verhältnissen mit einer Überlassung des Kapitals rechnen kann.
Weiterhin ist fraglich, ob auch (kapitalersetzende) Gesellschafterdarlehen dem Abzinsungsgebot unterfallen. Bei einem Gesellschafterdarlehen mindert der Aufschub der Rückzahlungspflicht die wirtschaftliche Belastung des Darlehensnehmers nicht anders als bei einem von einem Dritten gewährten Darlehen. Es ist unbeachtlich, dass die Unverzinslichkeit wirtschaftlich durch erhöhte Ausschüttungen an den Gesellschafter ausgeglichen wird. Dass durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Vorgänge generell das Einkommen der Kapitalgesellschaft nicht beeinflussen dürfen, ist richtig. Jedoch können Nutzungsvorteile nicht Gegenstand einer (verdeckten) Einlage sein; die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis ist deshalb kein Anknüpfungspunkt für eine Differenzierung zwischen Gesellschafter- und Fremddarlehen. Dass es sich u.U. um ein kapitalersetzendes Darlehen handelt, spielt keine Rolle.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 06.10.2009, I R 4/08