Leitsatz
- Unverzinsliche Gesellschafterdarlehen sind nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG 1997 i.d. F. des StEntlG 1999/2000/2002 abzuzinsen, wenn sie zwar keine feste Laufzeit haben, die Darlehensnehmerin aber am Bilanzstichtag mit einer Fortdauer der Kapitalüberlassung für mindestens weitere zwölf Monate rechnen kann (Bestätigung des Beschlusses v. 06.10.2009, I R 4/08, BFH/NV 2010, 302).
- Die bloße Zweckbindung eines Darlehens begründet keine "Verzinslichkeit" i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG 1997 i.d. F. des StEntlG 1999/2000/2002 (ebenfalls Bestätigung des Beschlusses v. 06.10.2009, I R 4/08, BFH/NV 2010 S. 302).
- Eine Verbindlichkeitsrückstellung ist nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG 1997 i.d. F. des StEntlG 1999/2000/2002 abzuzinsen, wenn sie aus der Sicht des Bilanzstichtags voraussichtlich mindestens zwölf Monate Bestand haben wird. Welche Risiken sich nach den Verhältnissen des Bilanzstichtags zeitlich über mindestens zwölf Monate erstrecken, ist im gerichtlichen Verfahren in erster Linie vom FG zu beurteilen, das insoweit ggf. eine Schätzung vornehmen muss.
Sachverhalt
Eine GmbH hatte Gesellschafterdarlehen von ca. 120 Mio. DM erhalten. Diese sollten zunächst bis zum Eintritt der GmbH in die Gewinnzone zinslos, nach einer Vertragsänderung ab 1988 dagegen je zur Hälfte verzinslich bzw. zins- und tilgungsfrei gewährt werden. Die GmbH hatte sich zudem gegenüber Anwohnern zu Schallschutzmaßnahmen verpflichtet. Nach Prüfung der Unterlagen vereinbarte die GmbH mit den Anwohnern die Kostenübernahme, an die sie für 12 Monate gebunden war. Hierfür bildete sie Rückstellungen. Sowohl Darlehen als auch Rückstellung waren nach Auffassung von Finanzamt und FG sowie BFH abzuzinsen.
Entscheidung
Der BFH bestätigt seine Rechtsprechung: Unverzinsliche Gesellschafterdarlehen sind nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG abzuzinsen; das gilt auch, wenn sie eigenkapitalersetzenden Charakter haben. Aus der Zweckbestimmung des Darlehens für eine konkrete Maßnahme erwächst keine "Sach-Verzinslichkeit". Eine nennwertunterschreitende Bewertung des Darlehens ist deshalb nicht gerechtfertigt, anders als dies u.U. der Fall wäre, wenn der Darlehensnehmer den Zinsvorteil an einen Dritten weiterreichen muss.
Die Grundsätze zur Verzinslichkeit überträgt der BFH auf Verbindlichkeitsrückstellungen. Das gebietet § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG. Der Umstand, dass die Rückstellungen zu jedem Bilanzstichtag neu zu bewerten sind und es dadurch zu keinem mit dem Zinsertrageinhergehenden Zinsaufwand kommt, mag stören, liegt indes in der "Natur" der Bilanzierungsgrundsätze.
Hinweis
Schwachstelle der BFH-Argumentation ist in beiden Fällen die Frage der für die Abzinsung erforderlichen Laufzeit von mehr als 12 Monaten, beim Darlehen bezogen auf den (mutmaßlichen) Rückzahlungs-, bei der Rückstellung bezogen auf den (mutmaßlichen) Erfüllungszeitpunkt. Dieser ist meist nicht kalendarisch bestimmt und muss daher geschätzt werden, ggf. unter Berücksichtigung der späteren tatsächlichen Verhältnisse. Will der Steuerpflichtige sich hiergegen wehren, muss er die Kurzläufigkeit der Verbindlichkeit belegen. Andernfalls nimmt der BFH eine überjährige Laufzeit an.
Link zur Entscheidung
BFH, 27.01.2010, I R 35/09