Leitsatz

  1. Der Sicherungsgeber führt mit der Übereignung beweglicher Gegenstände zu Sicherungszwecken unter Begründung eines Besitzmittlungsverhältnisses (§ 930 BGB) noch keine Lieferung an den Sicherungsnehmer gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1993, § 3 Abs. 1 UStG 1993 aus. Zur Lieferung wird der Übereignungsvorgang erst mit der Verwertung des Sicherungsguts, gleichgültig, ob der Sicherungsnehmer das Sicherungsgut dadurch verwertet, dass er es selbst veräußert, oder dadurch, dass der Sicherungsgeber es im Auftrag und für Rechnung des Sicherungsnehmers veräußert.
  2. Falls der Sicherungsgeber es übernimmt, das Sicherungsgut im eigenen Namen, aber für Rechnung des Sicherungsnehmers zu verkaufen, führt er an den Käufer eine entgeltliche Lieferung i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1993 aus. Zudem greift § 3 Abs. 3 UStG 1993 ein; zwischen dem Sicherungsnehmer (Kommittent) und dem Sicherungsgeber (Kommissionär) liegt eine Lieferung vor, bei der der Sicherungsgeber (Verkäufer, Kommissionär) als Abnehmer gilt. Gleichzeitig erstarkt die Sicherungsübereignung zu einer Lieferung i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1993 des Sicherungsgebers an den Sicherungsnehmer. Es liegt ein Dreifachumsatz vor.
 

Sachverhalt

Eine Bank gab dem Unternehmer SG ein Darlehen zur Anschaffung zweier Omnibusse. Zur Sicherung aller Ansprüche übereignete ihr SG 1991 beide Omnibusse. Im Dezember 1993 stellte SG seinen Betrieb ein. 1994 verkaufte er beide Omnibusse an den Busunternehmer K, dem er im Mai 1994 eine Rechnung mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer stellte. Der Bruttokaufpreis wurde vereinbarungsgemäß auf das von SG bei der Bank unterhaltene Konto überwiesen, nachdem diese der Bank des K die Kfz-Briefe übersandt und verfügt hatte, dass die Kfz-Briefe gegen Zahlung des Bruttokaufpreises an K auszuhändigen seien. K machte die ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend. SG blieb die Umsatzsteuer für den Besteuerungszeitraum 1994 schuldig.

Das Finanzamt nahm die Bank mit Haftungsbescheid für die Umsatzsteuer in Anspruch, weil sie die Umsatzsteuer gem. § 51 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStDV 1993 bei der Lieferung sicherungsübereigneter Gegenstände von der Gegenleistung hätte einbehalten und abführen müssen. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Die Bank legte Revision ein.

 

Entscheidung

Die Bank haftet als Leistungsempfänger für die Umsatzsteuer nach § 55 UStDV 1993. Leistungsempfänger ist im Fall des § 51 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStDV 1993 der Sicherungsnehmer. Die Haftung des Sicherungsnehmers, also der Bank, setzt eine Lieferung des sicherungsübereigneten Gegenstands durch den Sicherungsgeber SG an den Sicherungsnehmer voraus. SG hat beide Busse an die Bank geliefert.

Bei der Sicherungsübereignung beweglicher Gegenstände wird der Übereignungsvorgang erst zur Lieferung, wenn der Sicherungsnehmer das Sicherungsgut mit dem Ziel seiner Befriedigung im eigenen Namen an Dritte veräußert (sog. Doppelumsatz). Ähnliches gilt, wenn der Sicherungsnehmer bewegliches Sicherungsgut nicht selbst veräußert, sondern der Sicherungsgeber es übernimmt, das Sicherungsgut im eigenen Namen, aber für Rechnung des Sicherungsnehmers zu verkaufen. Der Sicherungsgeber liefert insoweit das Sicherungsgut im eigenen Namen an den Käufer. Da der Sicherungsgeber dabei für Rechnung des Sicherungsnehmers handelt, greift zudem ein Fall des § 3 Abs. 3 UStG 1993 (Kommissionsgeschäft) ein; zwischen dem Sicherungsnehmer und dem Sicherungsgeber liegt eine Lieferung vor, bei der der Sicherungsgeber als Abnehmer gilt. Gleichzeitig erstarkt die Sicherungsübereignung zu einer Lieferung des Sicherungsgebers an den Sicherungsnehmer. Es liegt ein Dreifachumsatz vor. Der Sicherungsnehmer, hier die Bank, erlangt mit der Verwertung des Sicherungsguts die Verfügungsmacht an diesem, gleichgültig, ob er das Sicherungsgut dadurch verwertet, dass er es selbst veräußert, oder dadurch, dass der Sicherungsgeber SG es im Auftrag und für Rechnung des Sicherungsnehmers veräußert.

Die Bank hat die Busse an SG nicht lediglich "freigegeben"; vielmehr hat SG die Busse entsprechend seiner Verpflichtung in dem Sicherungsvertrag für Rechnung der Bank verwertet und ihr alles, was er bei der Verwertung erlangt hat – Kaufpreis einschließlich Umsatzsteuer –, unverzüglich herausgegeben.

 

Praxishinweis

Aufgrund dieser Entscheidung sollten die Vertragsformulare der Banken für Sicherungsabreden überprüft werden. Denn der Doppelumsatz wird – wie im Urteil hervorgehoben – nicht nur dadurch ausgelöst, dass der Sicherungsfall durch Zahlungsverzug des Sicherungsgebers eintritt. Vielmehr genügt jede Veräußerung durch den Sicherungsgeber im Auftrag oder auch nur im Interesse des Sicherungsgebers bei Herausgabe des Erlöses an den Sicherungsnehmer. Dies dürfte nach den bisher üblichen Formularverträgen die Regel sein.

Daneben sind die Besonderheiten des Kommissionsgeschäfts zu beachten, die im Zusammenhang mit der Sicherungsübereignung zu einer weiteren (fingierten) Lieferungen führen. Dabei sind die erforderlichen Rechnungen für den Vorsteuerabzu...

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