Leitsatz
- Beantragt das Kind die Auszahlung (Abzweigung) des Kindergelds an sich, weil der Kindergeldberechtigte keinen laufenden Unterhalt zahlt, ist die Abzweigung an das Kind i.d.R. die allein ermessensgerechte Entscheidung.
- Wird der Kindergeldberechtigte rückwirkend zur Zahlung von Unterhalt an sein Kind verurteilt und beantragt deshalb rückwirkend Kindergeld, ist der rückwirkend gezahlte Unterhalt aber bei der (Ermessens-)Entscheidung über den gleichzeitig gestellten Antrag des Kinds auf Abzweigung zu berücksichtigen.
- Die Behörde hat eine Ermessensentscheidung im Einspruchsverfahren nicht nur auf Ermessensfehler hin zu überprüfen, sondern bei Änderung der Sach- und Rechtslage im Einspruchsverfahren ggf. eine neue Ermessensentscheidung zu treffen.
Sachverhalt
K ist Vater der 1984 geborenen T, die bis zum Abitur bei ihrer Mutter wohnte, die das Kindergeld bezog. Er zahlte nur sporadisch Unterhalt, was in eine Verurteilung zur Nachzahlung sowie zur Zahlung von laufendem Unterhalt ab Oktober 2003 mündete. Im Januar 2005 beantragte K rückwirkend Kindergeld, T dagegen, das Kindergeld an sie selbst auszuzahlen. Die Familienkasse setzte Kindergeld ab Januar 2003 fest. Für Mai bis August 2003 sei das Kindergeld an K nachzuzahlen. Bis April 2003 sowie ab September 2003 sei das Kindergeld an T abzuzweigen, da K für diese Monate keinen Unterhalt geleistet habe. Wegen Einspruchs des K stoppte die Familienkasse ab Juni 2005 die Zahlungen an T. Den Einspruch wies sie zurück. Das FG gab der Klage statt; die Revision war unbegründet.
Entscheidung
Kommt der Kindergeldberechtigte seiner Unterhaltspflicht nicht nach, kann Kindergeld an das Kind selbst gezahlt werden. Die Unterhaltspflicht wird verletzt, wenn der Kindergeldberechtigte objektiv und dauerhaft für den wesentlichen Unterhalt des Kinds nicht aufkommt; die Pflichtverletzung muss nicht schuldhaft sein.
Bei der Ermessensentscheidung über eine Abzweigung hat die Familienkasse deren Zweck und den des Kindergelds zu beachten. Da Kindergeld die Eltern wegen ihres Unterhalts entlasten soll, ist auch geringer Unterhalt in die Entscheidung einzubeziehen. Leistet der Kindergeldberechtigte dagegen überhaupt keinen Unterhalt, ist allein die Auszahlung an das Kind ermessensgerecht.
Die Entscheidung über die Abzweigung hängt bei verspäteter Erfüllung der Unterhaltspflicht davon ab, ob das Kindergeld bereits ausgezahlt wurde, denn danach kann nicht mehr abgezweigt werden. Wird die Unterhaltspflicht laufend verletzt und das Kindergeld daher an das Kind ausgezahlt, bleibt es dabei.
Beantragt der Kindergeldberechtigte rückwirkend Kindergeld, nachdem er zur Zahlung rückständigen Unterhalts verurteilt worden ist, und wird das Kindergeld dementsprechend rückwirkend festgesetzt, ist bei der Ermessensentscheidung über den ebenfalls rückwirkend gestellten Abzweigungsantrag auch der nachträglich geleistete Unterhalt zu berücksichtigen.
Erhält das Kind rückwirkend Unterhalt, muss ihm nicht per Abzweigung der Zugriff auf das Kindergeld ermöglicht werden. Der Unterhaltspflichtige erhält daher das noch nicht ausgezahlte Kindergeld, wenn er den rückständigen Unterhalt vor der Einspruchsentscheidung leistet.
Link zur Entscheidung
BFH, 26.08.2010, III R 16/08.