Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
- Aufwendungen für die Hin- und Rückreise bei gemischt beruflich (betrieblich) und privat veranlassten Reisen können grundsätzlich in abziehbare Werbungskosten oder Betriebsausgaben und nicht abziehbare Aufwendungen für die private Lebensführung nach Maßgabe der beruflich und privat veranlassten Zeitanteile der Reise aufgeteilt werden, wenn die beruflich veranlassten Zeitanteile feststehen und nicht von untergeordneter Bedeutung sind.
- Das unterschiedliche Gewicht der verschiedenen Veranlassungsbeiträge kann es jedoch im Einzelfall erfordern, einen anderen Aufteilungsmaßstab heranzuziehen oder ganz von einer Aufteilung abzusehen.
Sachverhalt
Strittig ist, ob Aufwendungen für eine teils beruflich, teils privat veranlasste Reise in abziehbare Werbungskosten und nicht abziehbare private Kosten anhand der beruflichen und privaten Zeitanteile der Reise aufgeteilt werden können. Im Urteilsfall hatte ein EDV-Controller eine 4-tägige Computermesse in Las Vegas besucht; anschließend blieb er noch 3 Tage privat in den USA. Das FG hatte die Kosten des Hin- und Rückflugs aufgeteilt (4/7 Werbungskosten und 3/7 als private Kosten).
Entscheidung
Ist bei einer gemischt veranlassten Reise die berufliche oder private Veranlassung nicht von völlig untergeordneter Bedeutung, sind die Aufwendungen grundsätzlich aufzuteilen. Ihr beruflich veranlasster Teil ist notfalls zu schätzen und abziehbar. Dies gilt auch für Reisekostenteile, die sowohl den beruflichen als auch den privaten Reiseteil betreffen, hier also die Kosten der Hin- und Rückreise nach Las Vegas. Als sachgerechter Aufteilungsmaßstab kann auf die beruflichen und privaten Zeitanteile einer Reise zurückgegriffen werden.
Daran, dass § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG ein allgemeines Aufteilungs- und Abzugsverbot enthält, wird nicht mehr festgehalten. Dem objektivenNettoprinzip und dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ist zu entnehmen, dass berufliche Kostenanteile, soweit abgrenzbar, auch abziehbar sein müssen. Auch wenn die berufliche Veranlassung von Auslandsreisen häufig schwierig festzustellen ist und von der Darstellung durch den Steuerpflichtigen abhängt, ist der Abzug nicht a priori ausgeschlossen. Falls nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmaßnahmen gewichtige Zweifel an der beruflichen Veranlassung bleiben, scheidet der Abzug insgesamt aus. Ist aber die berufliche Veranlassung unzweifelhaft und lediglich der Höhe nach schwierig zu ermitteln, ist der Anteil eben zu schätzen.
Hinweis
Begrenzt wird die erweiterte Aufteilungsmöglichkeit durch die Grundüberlegung, dass zwischen Reisekosten sowie grundsätzlich nicht abziehbaren und nicht aufteilbaren Aufwendungen für die Lebensführung zu differenzieren ist: Kosten der Lebensführung sind durch steuerliche Existenzminima, Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen abziehbar (subjektives Nettoprinzip) und insoweit abgegolten. Dies gilt z.B. für bürgerliche Kleidung, Brille, Armbanduhr, Schuhsohlen und Hörgerät; ob ein dennoch gegebener beruflicher Mehraufwand berücksichtigt wird, bleibt der Entscheidung des Gesetzgebers überlassen.
Falls objektivierbare Kriterien für eine Trennung der beruflichen und privaten Veranlassungsbeiträge fehlen, scheidet ein Abzug der Aufwendungen insgesamt aus. Allerdings kann von dem zeitbezogenen Aufteilungsmaßstab abgewichen werden. Nimmt z.B. ein Arbeitnehmer auf Weisung des Arbeitgebers einen beruflichen Termin wahr, können die Kosten der Hin- und Rückreise selbst dann in vollem Umfang beruflich veranlasst sein, wenn der Arbeitnehmer den beruflichen Pflichttermin mit einem Privataufenthalt verbindet, auch wenn der private Teil der Reise länger als der berufliche Teil ist. Entsprechendes muss auch für Selbstständige gelten.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 21.09.2009, GrS 1/06.