Leitsatz
- Allein die Änderung eines ESt-Bescheids wegen eines den Vorwegabzug betreffenden rückwirkenden Ereignisses, das die Verhältnisse nur eines Ehegatten berührt, berechtigt nicht zur Korrektur eines Fehlers, der die steuerlichen Verhältnisse des anderen Ehegatten berührt.
- Eine Änderung wegen einer nachträglich bekannt gewordenen Tatsache kommt nicht in Betracht, wenn sich die nachträglich bekannt gewordene Tatsache zunächst wegen Zusammenveranlagung nicht ausgewirkt hatte.
Sachverhalt
Die als GmbH-Geschäftsführer tätigen Ehegatten M und F gaben in ihren Einkommensteuererklärungen für 1996 - 1998 an, M sei sozialversicherungspflichtig, F sozialversicherungsfrei beschäftigt. F habe eine Pensionsanwartschaft ohne eigene Beitragsleistung aus dem Dienstverhältnis. Das Finanzamt kürzte daher den Vorwegabzug vollständig.
Im Jahr 2000 wurde festgestellt, dass M in den Streitjahren nicht sozialversicherungspflichtig war, sodass die Beiträge erstattet wurden. Das Finanzamt änderte die Einkommensteuerbescheide gem. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO und kürzte den Vorwegabzug nur noch wegen der Einkünfte der F. Den vollen Vorwegabzug versagte das Finanzamt, obwohl F nun geltend machte, entgegen ihrer früheren Angaben ihre Pensionsanwartschaft mitfinanziert zu haben. Einspruch, Klage und Revision blieben erfolglos.
Entscheidung
Bei zusammen veranlagten Ehegatten ist für jeden Ehegatten isoliert zu ermitteln, in welcher Höhe ihm der Vorwegabzug zusteht. Daher ist die Ermittlung des Vorwegabzugs bei Eheleuten kein einheitlich zu betrachtender Sachverhalt. Änderungen nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO aufgrund der rückwirkenden Änderung der steuerlichen Verhältnisse eines Ehegatten führen daher nicht dazu, dass eine fehlerhafte Beurteilung der steuerlichen Verhältnisse des anderen Ehegatten beseitigt werden kann, sofern nicht eine eigenständige Änderungsnorm eingreift.
Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ist ein Steuerbescheid zu ändern, soweit Tatsachen nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuerfestsetzung führen, wenn den Steuerpflichtigen am nachträglichen Bekanntwerden kein grobes Verschulden trifft. Hierbei ist eine Tatsache nur dann von Bedeutung, wenn sie rechtserheblich ist. Diese Anforderung ist auch dann erfüllt, wenn bei der Zusammenveranlagung ihre Wirkung durch die steuerlichen Verhältnisse des anderen Ehepartners beeinflusst werden kann. Dies gilt sogar, wenn die nachträglich bekannt gewordene Tatsache im Ergebnis keinen Einfluss auf die Höhe der Steuer hat.
Ein grobes, die Änderungsmöglichkeit ausschließendes Verschulden liegt vor, wenn der Steuerpflichtige seine Mitwirkungs- und Erklärungspflichten kennt und ihre Verletzung will oder bewusst in Kauf nimmt oder die ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen und Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt.
Link zur Entscheidung
BFH, 14.10.2009, X R 14/08.