Leitsatz

  1. Der die Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist bewirkende Beginn einer Außenprüfung setzt Maßnahmen voraus, die für den Steuerpflichtigen als Prüfungshandlungen erkennbar und geeignet sind, sein Vertrauen in den Ablauf der Verjährungsfrist zu beseitigen.
  2. Eine Außenprüfung ist dann nicht mehr unmittelbar nach ihrem Beginn unterbrochen, wenn die Prüfungshandlungen nach Umfang und Zeitaufwand, gemessen an dem gesamten Prüfungsstoff, erhebliches Gewicht erreicht oder erste verwertbare Prüfungsergebnisse gezeitigt haben.
  3. Auch die Wiederaufnahme einer unterbrochenen Außenprüfung erfordert nach außen dokumentierte oder zumindest anhand der Prüfungsakten nachvollziehbare Maßnahmen, die der Steuerpflichtige als eine Fortsetzung der Prüfung erkennen kann.
 

Sachverhalt

1996 hatte das Finanzamt im Betrieb des Klägers eine Betriebsprüfung wegen Einkommensteuer 1990 angeordnet. Im Dezember 1996 war deshalb eine Prüferin bei der vom Kläger beauftragten Steuerberatungskanzlei erschienen. Nach einem Gespräch mit einer Mitarbeiterin beschäftigte sie sich dort mit den ihr vorgelegten Akten, stellte in ihrer Handakte einige betriebliche Daten zusammen und vermerkte: "Beginn der Betriebsprüfung …, amheutigen Tage konnten keine Kostenbelege vorgelegt werden (Herr X. sucht noch)". In den folgenden Monaten erschien die Prüferin nicht mehr; sie studierte lediglich hin und wieder die Prüfungsakte im Finanzamt. Bei dem Steuerpflichtigen bzw. seinen Beratern weitergeführt wurde die Betriebsprüfung erst im August 1997. 1998 erging ein Steueränderungsbescheid, mit dem die Steuerfestsetzung für 1990 geändert wurde. Dagegen wandte der Kläger ein, es sei Festsetzungsverjährung eingetreten.

 

Entscheidung

Der BFH gab dem Kläger Recht. Da die vierjährige Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen habe, sei sie am 31.12.1996 abgelaufen. Eine Ablaufhemmung sei nicht eingetreten.

Zwar habe das Finanzamt 1996 mit einer Außenprüfung begonnen. Dafür genüge es, dass die Prüferin die Unterlagen vor Ort nicht nur gesichtet, sondern fehlende Unterlagen angefordert habe. Dass die Prüfung bereits Ergebnisse erbracht habe, sei für den Beginn der Prüfung i. S. des § 171 Abs. 4 Satz 1 AO nicht erforderlich. Die Prüfung sei jedoch unmittelbar nach ihrem Beginn unterbrochen worden[1]. Ob eine Unterbrechung "unmittelbar" nach dem Beginn der Prüfung erfolge, sei nur anhand der Prüfungshandlungen zu beurteilen, die den Beginn der Prüfung ausmachen bzw. danach durchgeführt worden seien; der Aufwand für die Prüfungsvorbereitung spiele insofern keine Rolle. "Unmittelbar" ist die Unterbrechung dann, wenn Umfang und Zeitaufwand der Prüfungshandlungen gemessen an dem gesamten Prüfungsstoff noch kein "erhebliches" Gewicht erreicht und noch keine verwertbaren Ergebnisse erbracht haben.

Die Unterbrechung habe mehr als sechs Monate gedauert[2]. Denn im ersten Halbjahr 1997 habe die Prüferin lediglich laut Akte hin und wieder dieselbe zur Hand genommen; darin liege keine Wiederaufnahme der Prüfung. Es fehle dafür "an der Nachprüfbarkeit und Nachvollziehbarkeit".

 

Praxishinweis

Eine Ablaufhemmung durch Beginn einer Außenprüfung gemäß § 171 Abs. 4 AO tritt nur ein, wenn – erstens – eine förmliche Prüfungsanordnung erlassen wird und – zweitens – tatsächlich Prüfungshandlungen für die in der Prüfungsanordnung genannten Steuerarten und Besteuerungszeiträume vorgenommen werden; es genügt nicht, dass der Prüfer im Betrieb erscheint und die Prüfungsanordnung übergibt. Prüfungshandlungen sind nur Handlungen zur Ermittlung des Steuerfalles. Erst sie stellen einen Beginn der Prüfung dar, wobei es sich allerdings umbeliebige Handlungen handeln kann, sofern sie nur irgendwie dem Ziel dienen, den Steuerfall aufzuklären; sogar ein bloßes Gespräch mit dem Steuerpflichtigen oder das Aktenstudium im Finanzamt kann den Beginn der Prüfung darstellen, vorausgesetzt, es dient der Ermittlung der konkreten Verhältnisse des zu prüfenden Betriebes.

Die Ablaufhemmung entfällt, als wäre sie nie eingetreten, wenn die Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn aus Gründen, die die Finanzverwaltung zu vertreten hat, länger als sechs Monate unterbrochen wird[3]. Für die Beurteilung, ob die Unterbrechung unmittelbar nach Beginn erfolgt ist, haben Umfang und Gewicht der nach dem Beginn einer Außenprüfung tatsächlich durchgeführten Prüfungshandlungen Bedeutung.

Für die Feststellung der Dauer der Unterbrechung kann es entscheidend darauf ankommen, wann die unterbrochene Prüfung fortgesetzt worden ist. Die Besprechungsentscheidung beschäftigt sich mit dem Problem, welche konkreten Maßnahmen die Wiederaufnahme einer unterbrochenen Prüfung bewirken. Die Wiederaufnahme einer Prüfung nach Ablauf der Sechs-Monats-Frist soll danach anhand der gleichen Maßstäbe wie der Beginn einer Prüfung zu beurteilen sein.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 24.04.2003, VII R 3/02

[2] Vgl. ebenda
[3] Vgl. ebenda

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