Leitsatz

Ein abgelaufenes Jahr betreffende Zinsansprüche aus Genussrechten sind auch dann in der Bilanz des Gläubigers zu aktivieren, wenn nach den Genussrechtsbedingungen der Schuldner die Ansprüche nicht bedienen muss, solange hierdurch bei ihm ein Bilanzverlust entstehen oder sich erhöhen würde.

 

Sachverhalt

Eine Sparkasse hielt Genussscheine der B-Bank, die mit einem bestimmten Prozentsatz ihres Nennbetrags verzinst wurden. Nach den Genussscheinbedingungen wurde der Zinsanspruch nach Erstellung der Bilanz der B-Bank fällig; die Zinsen waren nicht zu zahlen, soweit sich hierdurch bei der B-Bank ein Bilanzverlust ergab oder erhöhte. In diesem Fall musste bei einer späteren wirtschaftlichen Erholung der B-Bank die Zinszahlung nachgeholt werden.

Die Sparkasse aktivierte in ihrer Bilanz zum 31.12.1994 den Zinsanspruch für 1994 nicht, da dieser erst mit der Bilanzerstellung durch die B-Bank im Jahr 1995 entstanden sei. Dagegen wollte das Finanzamt den Anspruch schon bei der Veranlagung für 1994 steuererhöhend erfassen.

 

Entscheidung

Eine am Bilanzstichtag bestehende Forderung ist in der Bilanz des Gläubigers auszuweisen. Das gilt auch für Zinsansprüche für ein abgelaufenes Wirtschaftsjahr, und zwar auch dann, wenn sie am Bilanzstichtag noch nicht fällig sind. Um einen solchen Anspruch geht es hier. Dass der Zinsanspruch bei einem schlechten Bilanzergebnis der B-Bank nicht bedient werden muss, betrifft nicht sein Bestehen, sondern nur seine Fälligkeit; das gilt umsomehr, als eine zunächst ausbleibende Zinszahlung gegebenenfalls später nachgeholt werden müsste. Die Rechtsprechung, nach der Dividendenansprüche nicht "phasengleich" aktiviert werden dürfen[1], ist auf Zinsansprüche nicht übertragbar. Die Sparkasse muss ihren Anspruch deshalb aktivieren und könnte ihn allenfalls auf einen niedrigeren Teilwert abschreiben, falls er am Bilanzstichtag gefährdet gewesen wäre. Dafür bestehen aber keine Anhaltspunkte.

 

Praxishinweis

1. Das Urteil betrifft fest verzinsliche Genussrechte und besagt nichts zum Fall der variablen Verzinsung, z.B. zur Anknüpfung an den Gewinn des Emittenten. Es spricht aber einiges dafür, dass dieser Fall ebenso zu behandeln ist.

2. Genussscheine werden häufig am Wertpapiermarkt gehandelt, wobei künftige Zinsansprüche im Kurs des Papiers durch einen Aufschlag auf den Nennwert berücksichtigt sind. Wird ein Genussrecht mit einem solchen Aufschlag erworben, so ist es zunächst mit den gesamten Anschaffungskosten zu aktivieren. Am Stichtag für die Zinszahlung ist, korrespondierend mit der Aktivierung des Zinsanspruchs, der Aufschlag jedoch auf Null abzuschreiben. Auf diese Weise wird eine doppelte Erfassung ein und desselben Anspruchs vermieden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 18.12.2002, I R 11/02

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