Leitsatz
1. Der Vorsitzende eines eingetragenen Vereins ist als gesetzlicher Vertreter dieser juristischen Person verpflichtet, deren steuerliche Pflichten zu erfüllen.
2. Arbeitgeber ist, wer die Schuldnerposition in dem die Rechtsgrundlage der Arbeitslohnzahlung bildenden Rechtsverhältnis innehat. Ein Sportverein, der mit Spielern Arbeitsverträge abschließt und diesbezügliche Lohnsteueranmeldungen abgibt, ist folglich auch dann zur Einbehaltung und Abführung von Lohnsteuer verpflichtet, wenn nach der Satzung des Vereins Abteilungen mit eigenem Vertreter bestehen und diesen eine gewisse Selbstständigkeit eingeräumt ist.
3. Die für das Verhältnis mehrerer Geschäftsführer entwickelten Grundsätze für die Möglichkeit einer Begrenzung der Verantwortlichkeit des gesetzlichen Vertreters einer juristischen Person durch eine Verteilung der Aufgaben innerhalb derselben gelten auch für die Übertragung steuerlicher Pflichten einer juristischen Person (hier: eines Vereins) auf deren Abteilungen.
Sachverhalt
Der Vorsitzende eines Sportvereins wurde vom Finanzamt für Lohnsteuerschulden in Haftung genommen. Gegen den Verein waren bestandskräftige Lohnsteuerhaftungs- und Nachforderungsbescheide ergangen, weil er Profispieler ohne Lohnsteuereinbehalt beschäftigt und Lohnsteuer nicht in zutreffender Höhe abgeführt habe. Die Satzung des Vereins übertrug dem 1. und 2. Vorsitzenden dessen Vertretung. Der Haftungsschuldner verteidigte sich gegen seine Inanspruchnahme damit, nicht er, sondern der Vorstand der Abteilung, bei der die Profis gespielt hatten, sei für die Steuerschulden verantwortlich. Der Verein widmete sich nämlich in sieben teilweise selbstständig agierenden und von der Satzung mit eigenen Organen ausgestatteten Abteilungen ("Zweigvereine") der Pflege unterschiedlicher Sportarten und beschäftigte Profispieler hauptsächlich in einer der Abteilungen.
Entscheidung
Der BFH hat das klageabweisende Urteil des FG bestätigt. Der (Haupt-)Verein, dessen Vorsitzender der Kläger war, habe die Pflicht gehabt, für die von den Zweigvereinen aufgrund von Arbeitsverträgen mit Spielern geleisteten Lohnzahlungen Lohnsteuererklärungen abzugeben, Lohnsteuer einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen. Das stehe zwischen dem Finanzamt und dem Verein bestandskräftig fest und der Kläger müsse es nach § 166 AO gegen sich gelten lassen. Ungeachtet der möglicherweise zu bejahenden Rechtsfähigkeit der Zweigvereine sei überdies der (Haupt-)Verein Arbeitgeber gewesen. Denn Arbeitgeber sei, wer die Schuldnerposition in dem die Rechtsgrundlage der Arbeitslohnzahlung bildenden Rechtsverhältnis innehat. Es sei davon auszugehen, dass dies der Hauptverein war, weil dieser gegenüber den Spielern in den einzelnen Abteilungen als Vertragspartner aufgetreten sei. Eine steuerrechtlich zu berücksichtigende Aufgabendelegation vom Hauptverein auf die Zweigvereine habe nicht bestanden; denn es fehle an einer entsprechenden klaren, schriftlichen Vereinbarung oder Satzungsregelung. Überdies habe eine "Krisensituation" bestanden und deshalb Anlass, die korrekte Erfüllung etwaiger steuerlicher Pflichten durch die Zweigvereine zu überwachen.
Praxishinweis
Neben der Haftung des 1. Vorsitzenden war die Haftung der Abteilungsvorsitzenden zu prüfen. Diese waren zwar wohl besondere Vertreter i.S. des § 30 BGB, aber insofern nach der Satzung nicht für die Steuerangelegenheiten zuständig, so dass eine Haftung nach § 34 Abs. 1 AO ausschied. Eine Haftung nach § 35 AO war ebenfalls zu verneinen; die Abteilungsvorsitzenden hatten zwar möglicherweise mitunter dafür gesorgt, dass Lohnsteuer an das Finanzamt überwiesen wurde, möglicherweise sogar aus eigenen Mitteln ihrer Abteilung; sie waren aber dadurch nicht als "Verfügungsberechtigte" für den Hauptverein aufgetreten. Denn wenn sie aus eigenen Mitteln der Abteilung Steuerschulden des (Haupt-)Vereins beglichen haben sollten, hätten sie nicht rechtlich und wirtschaftlich über Mittel, die einem anderen zuzurechnen sind, verfügt und jedenfalls nicht nach außen ausdrücklich oder schlüssig zu erkennen gegeben, dass sie von einer solchen Verfügungsmacht Gebrauch machen wollen. Das aber wäre Haftungsvoraussetzung nach § 35 AO.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 13.03.2003, VII R 46/02