Leitsatz
In § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG sind bei der Ermittlung der Summe der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen waren, im Veranlagungszeitraum 1999 die Vorschriften über den Verlustausgleich in § 2 Abs. 3 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 zu berücksichtigen.
Sachverhalt
Das Finanzamt erließ für das Streitjahr 1999 für Ehegatten, die keine Einkommensteuererklärung abgegeben hatten, einen Schätzungsbescheid. Da die Eheleute angaben, den Bescheid nicht erhalten zu haben, wurde er als nicht wirksam bekannt gegeben behandelt. Am 11.1.2002 reichten sie eine Einkommensteuererklärung ein und deklarierten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von 458486 DM, weitere positive Einkünfte von insgesamt 13106 DM sowie Vermietungsverluste von 26588 DM. Das Finanzamt lehnte eine Veranlagung wegen Ablaufs der Antragsfrist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG ab. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Auf die Revision der Ehegatten verpflichtete der BFH das Finanzamt, die Einkommensteuerveranlagung durchzuführen.
Entscheidung
Nach Ansicht des BFH ist eine Amtsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1, 1. Alt. EStG durchzuführen. Diese ist geboten, wenn die Summe der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, die nicht dem Lohnsteuerabzug zu unterwerfen waren, mehr als 800 DM beträgt. Bei der Ermittlung der Summe der Einkünfte waren im Streitjahr 1999 die in § 2 Abs. 3 Sätze 2 bis 8 EStG a.F. enthaltenen Regeln der Mindestbesteuerung zu beachten, weil die diesbezüglichen Grundbegriffe für das ganze EStG, also auch für § 46 EStG gelten. Danach waren für den Verlustausgleich zwischen verschiedenen Einkunftsarten einkunftsartbezogene Verhältnisrechnungen durchzuführen, da die auszugleichenden Verluste die positiven Einkünfte aus verschiedenen Einkunftsarten in dem Verhältnis mindern, in dem diese zur Summe der positiven Einkünfte stehen.
Praxishinweis
Auch wenn der BFH im Streitfall die konkrete Verhältnisrechnung nicht durchführt, dürfte sie so vorzunehmen sein, dass die Verluste (26588 DM) auf sämtliche positiven Einkünfte (Summe 471592 DM) in deren Verhältnis verrechnet werden, also zu 97,22 % auf den Arbeitslohn, so dass für die restlichen Einkünfte nur ca. 740 DM zur Verrechnung übrig bleibt. Damit übersteigt deren Summe (13106 DM ./. 740 DM) deutlich 800 DM.
Es ist zweifelhaft, ob es Wortlaut und Zweck des § 46 Abs. 2 Nr. 1, 1. Alt. EStG entsprach, ihn durch die Einfügung des § 2 Abs. 3 EStG a.F. in der beschriebenen Art und Weise als modifiziert anzusehen. Nach zwischenzeitlicher Neufassung des Begriffs Summe der Einkünfte in § 2 Abs. 3 EStG dürften nur noch die positiven und negativen Einkünfte ohne den Arbeitslohn miteinander zu verrechnen und zu prüfen sein, ob das Ergebnis 410 EUR übersteigt. Darauf kommt es aber dann nicht an, wenn die Antragsfrist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG verfassungswidrig ist.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 22.5.2006, VI R 50/04