Leitsatz (amtlich)
Ein Festpreis, den eine Personengesellschaft ihrem Gesellschafter für die schlüsselfertige Erstellung von Gebäuden auf gesellschaftseigenen Grundstücken zahlt, ist keine Tätigkeitsvergütung i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG.
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH & Co. KG, erzielt gewerbliche Einkünfte aus der Errichtung von Gebäuden. Sie ist an der beigeladenen X-Wohnungsbaugesellschaft mbH & Co. KG (X-KG) als Kommanditistin beteiligt. In ihren Gewinnfeststellungserklärungen für die Streitjahre 1981 und 1982 erklärte die X-KG u.a. Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben der Klägerin im Zusammenhang damit, dass die Klägerin - unter Inanspruchnahme von Fremdleistungen - für die X-KG Wohn- und Geschäftshausbauten errichtet hatte. Nach dem sog. Generalüberneh-mervertrag (Bauvertrag) schuldete die Klägerin der X-KG die schlüsselfertige Erstellung von Bauwerken zu einem Festpreis auf Grundstücken, die im Eigentum der KG standen. Das Finanzamt berücksichtigte die insoweit erklärten Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben der Klägerin nicht. Klage und Revision der Klägerin blieben erfolglos.
Entscheidungsgründe
Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 2. Halbsatz EStG sind Einkünfte aus Gewerbebetrieb u.a. auch die Vergütungen, die der Gesellschafter von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft bezogen hat. Der Begriff "im Dienst" bedeutet nicht, dass es sich notwendigerweise um ein "Dienstverhältnis" handeln muss. Vielmehr werden auch Leistungen im Rahmen eines Werkvertrags oder eines Geschäftsbesorgungsvertrags i.S. der §§ 631, 675 BGB erfasst. Nicht unter den Tatbestand des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2,2. Halbsatz EStG ("Tätigkeit") fallen aber die Lieferung von Waren im Rahmen eines Kaufvertrags zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft oder sonstige zu fremdüblichen Bedingungen geschlossene Veräußerungsgeschäfte zwischen Gesellschaft und Gesellschafter. Als Vorläufer des heutigen § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bestimmte § 29 Nr. 3 EStG 1925, dass zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch etwaige "besondere Vergütungen (gehören), die der Gesellschafter für Mühewaltungen im Interesse der Gesellschaft für deren Rechnung bezogen hat". Der Begriff "Mühewaltung" bezieht sich auf einen Arbeitsaufwand und umfasst nicht die Lieferung von Waren. Der Zweck des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG wird u.a. darin gesehen, die Mitunternehmer einer Personengesellschaft dem Einzelunternehmer anzunähern, weil dieser keine Verträge mit sich selbst schließen kann. Da der Einzelunternehmer keinen Unternehmerlohn abziehen kann, soll durch die Hinzurechnung der Tätigkeitsvergütung erreicht werden, dass auch bei der Gesellschaft eine Entlohnung der Arbeit der Mitunternehmer im Tätigkeitsbereich der Gesellschaft den gewerblichen Gewinn im Ergebnis nicht mindert. Der Gesellschafter soll seinen Anteil am Unternehmerlohn der Gesellschaft nicht durch schuldrechtliche Gestaltungen der Besteuerung als Gewinn entziehen können. Dieses Ziel spricht ebenso wie die Entstehungsgeschichte dafür, eine einheitliche Vergütung dann nicht mehr unter § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 2. Halbsatz EStG zu subsumieren, wenn mit ihr eine Gesamtleistung abgegolten wird, bei der der Wert der Warenlieferung im Verhältnis zum Wert der Arbeit nicht mehr von untergeordneter Bedeutung ist. Danach hat das FG im Streitfall zu Recht entschieden, dass der vereinbarte Festpreis für die Errichtung der Gebäude nicht als Tätigkeitsvergütung angesehen werden kann. Denn bei der Errichtung eines Gebäudes ist der Wert des verwendeten Materials im Verhältnis zu dem Wert der erbrachten Arbeit nicht nur von untergeordneter Bedeutung.
Link zur Entscheidung
BFH vom 28.10.1999 - VIII R 41/98
Anmerkung
Zweck und Entstehungsgeschichte des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG gebieten es, dessen sachlichen Anwendungsbereich auf "Dienstleistungen" des Gesellschafters im weiteren Sinne zu beschränken. Abgrenzungsschwierigkeiten können - wie der Streitfall belegt - vor allem in den nicht seltenen "Mischfällen" entstehen, in denen eine einheitliche Gesamtleistung des Gesellschafters das Produkt sowohl von Dienst- und Arbeitsleistungen des Gesellschafters und der von ihm gegebenenfalls eingesetzten Hilfskräfte als auch von Materiallieferungen ist. Auf den ersten Blick könnte man hier daran denken, eine Aufteilung - gegebenenfalls im Schätzungswege - vorzunehmen. Dies hat der BFH jedoch zu Recht - offensichtlich nicht zuletzt aus Gründen der Praktikabi-lität - stillschweigend verworfen. Ebensowenig hat der BFH maßgebend auf die zivilrechtliche Einordnung der Leistung als Gegenstand eines Kauf-, Werk- oder Werklieferungsvertrages abgestellt; denn diese Klassifizierung dient spezifisch zivilrechtlichen Zwecken, etwa im Hinblick auf die Gewährleistung, die mit der Festlegung des sachlichen Anwendungsbereiches des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG nichts gemein haben.