Leitsatz (amtlich)

Der An- und Verkauf von Optionskontrakten selbst in größerem Umfang begründet im Allgemeinen keinen Gewerbebetrieb. Eine gewerbliche Betätigung setzt jedenfalls voraus, dass der Steuerpflichtige sich wie ein Händler verhält (Fortführung des BFH-Urteils vom 29.10.1998, XI R 80/97, BStBl II 1999, S. 448 = INF 1999, S. 285).

 

Sachverhalt

Der Kläger betreibt seit 1984 eine Versicherungsagentur. Für das Streitjahr 1991 erklärte er unter Vorlage einer Auflistung sämtlicher Geschäftsvorfälle nebst Effektenabrechnungen einen Verlust aus gewerblichem Wertpapierhandel in Höhe von 437 653 DM (Betriebseinnahmen aus Wertpapierverkäufen rd. 84 000 DM, aus Optionen rd. 35 000 DM, aus Dividenden rd. 3 000 DM, Betriebsausgaben: Anschaffungskosten Wertpapiere rd. 143 000 DM, Anschaffungskosten Optionen rd. 383 000 DM, übrige Betriebsausgaben rd. 35 000 DM). Das Finanzamt berücksichtigte diesen Verlust nicht, da die Wertpapiergeschäfte der privaten Vermögensverwaltung zuzurechnen seien. Klage[1] und Revision des Klägers blieben erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

Die Grenze von der privaten Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb wird überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung die Ausnutzung substanzieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung von Vermögen i.S. einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanz werten entscheidend in den Vordergrund tritt[2]. Der BFH hat mit Urteil vom 11.7.1968[3] ausgeführt, es liege "bei Wertpapieren in der Natur der Sache, den Bestand zu verändern, schlechte Papiere abzustoßen, gute zu erwerben und Kursgewinne zu realisieren". Aus dieser zutreffenden Feststellung folgt, dass selbst mit einem häufigen Umschlag von Wertpapieren der Bereich der privaten Vermögensverwaltung noch nicht verlassen wird. Der An- und Verkauf von Wertpapieren überschreitet die Grenze zur gewerblichen Betätigung daher nur in besonderen Fällen.

Der An- und Verkauf von Wirtschaftsgütern ist ein Gewerbebetrieb, wenn sich der Steuerpflichtige "wie ein Händler" verhalten hat[4]. Beweisanzeichen für eine Zuordnung zum "Bild des Wertpapierhandels" sind der Umfang der Geschäfte, das Unterhalten eines Büros oder einer Organisation zur Durchführung von Geschäften, das Ausnutzen eines Marktes unter Einsatz beruflicher Erfahrungen, das Anbieten von Wertpapiergeschäften gegenüber einer breiteren Öffentlichkeit und andere für eine private Vermögensverwaltung ungewöhnliche Verhaltensweisen[5]. Der An- und Verkauf von Wertpapieren kann ferner die Grenze der privaten Vermögensverwaltung überschreiten, wenn der Steuerpflichtige ohne Einsatz eigenen Vermögens mit beruflich erlangten Kenntnissen Kursdifferenzen ausnützt und sich damit "bankentypisch" verhält. Beim hiernach gebotenen Abgleichen des An- und Verkaufs von Wertpapieren mit dem "Bild des Gewerbebetriebes" ist der Entwicklung der Verhältnisse Rechnung zu tragen. So hat z.B. der technologische Fortschritt Auswirkungen auf die kurzfristige Handelbarkeit von Kapitalanlagen, auf die Technik der Geschäftsabschlüsse ("Bildschirmhandel") und auf die Möglichkeiten der Gewinnung von geschäftsrelevanten Informationen, die zunehmend auch Privatanlegern zugänglich sind. Außerdem führt die zunehmende Größe der Privatvermögen dazu, dass sich die Anzahl der vermögensverwaltenden Rechtsakte - insbesondere bei der Pflege der Wertpapierdepots - erhöht.

Das früher bei der gebotenen Gesamtabwägung verwendete Kriterium der "büromäßigen Organisation" verliert angesichts der Möglichkeit, beim An- und Verkauf von Wertpapieren handelsübliche Personalcomputer und einschlägige Standard-Software einzusetzen, an Bedeutung. Auch eine Fremdfinanzierung der Wertpapiergeschäfte selbst in nennenswertem Umfang prägt diese nicht als gewerblich.

Optionen gewähren keine Früchte, sondern werden dadurch "verwertet", dass der Inhaber sie ausübt oder verfallen lässt, bei Bestehen eines Sekundärmarktes auch durch Veräußerung. Der Erwerber spekuliert auf die Nichtausübung der Option und erbringt durch sein "Stillhalten" eine mit der Optionsprämie entgoltene Leistung. Diese Geschäfte sind im rechtstatsächlichen Regelfall "privater" Natur und (nur) nach näherer Maßgabe des § 22 Nr. 3, § 23 EStG steuerbar. Bei der Abgrenzung zwischen privater Vermögensverwaltung und Gewerbebetrieb ist die Grundentscheidung des Gesetzgebers zu respektieren, "gelegentliche"[6] (Dienst-) Leistungen sowie auch mehrfache An- und Verkaufsvorgänge nicht in die Gewerblichkeit einzubeziehen[7]. Der Gesetzgeber hat die grundsätzlich private Natur von Termingeschäften dadurch bestätigt, dass er sie mit § 23 Abs. 1 Nr. 4 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 als im privaten Bereich steuerbar erfasst hat. Nach § 23 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG n.F. gelten Zertifikate, die Aktien vertreten, und Optionsscheine als Termingeschäfte i.S. dieser Bestimmung. Danach hat das FG rechtsfehlerfrei entschieden, dass der Kläger den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung nicht überschritten hat.

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 20.12.20...

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