Leitsatz
- Das häusliche Arbeitszimmer eines Steuerpflichtigen, der mehreren Erwerbstätigkeiten nachgeht, kann auch dann den Betätigungsmittelpunkt i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 32. Hs. EStG bilden, wenn der qualitative Schwerpunkt einzelner Tätigkeiten nicht im häuslichen Arbeitszimmer liegt (Anschluss an BFH-Urteil vom 13.10.2003, VI R 27/02, BStBl II 2004, S. 771 = INF 2004, S. 5).
- Im Rahmen der dem FG obliegenden Beurteilung des qualitativen Schwerpunkts der Gesamttätigkeit kommt der Bestimmung des Mittelpunkts der Haupttätigkeit des Steuerpflichtigen regelmäßig indizielle Bedeutung zu. Als Haupttätigkeit ist jede Vollzeitbeschäftigung eines Steuerpflichtigen auf Grund eines privatrechtlichen Arbeits-, Angestellten- oder öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses anzusehen. Liegt eine solche Vollzeitbeschäftigung nicht vor, kommt der Wertigkeit der einzelnen Tätigkeiten, der Höhe der jeweils erzielten Einnahmen sowie dem auf die jeweilige Tätigkeit entfallenden Zeitaufwand indizielle Bedeutung für die Bestimmung der Haupttätigkeit zu.
Sachverhalt
Ein Berufsschullehrer und freiberuflicher Schriftsteller nutzt zwei Räume eines Einfamilienhauses für seine Tätigkeiten. In seiner Einkommensteuererklärung machte er bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit Aufwendungen von 4056 DM für ein 12,96 qm großes Arbeitszimmer als Werbungskosten geltend. Aus der schriftstellerischen Tätigkeit erklärte er Einkünfte aus selbständiger Arbeit von –5 205 DM, darin enthalten Kosten für die Nutzung des zweiten, 18,11 qm großen Arbeitszimmers von 5 764 DM. Das Arbeitszimmer werde jährlich 1100 Stunden zur Einkünfteerzielung genutzt; die Unterrichtstätigkeit in der Berufschule umfasse jährlich 980 Stunden. Nach Ansicht des Finanzamts bildeten die Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung des Klägers. Es erkannte deshalb nur Aufwendungen von insgesamt 2400 DM für die Nutzung beider Arbeitszimmer an. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Dagegen richtet sich die Revision.
Entscheidung
Der BFH hat der Revision stattgegeben und die Sache zurückverwiesen. Die betroffenen Räume sind zwar aufgrund ihrer Einbindung in die häusliche Sphäre und der Art der darin ausgeübten Tätigkeit Arbeitszimmer i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 1 EStG; sie bilden auch als Mehrheit von Räumen aufgrund identischer Nutzung eine funktionale Einheit als Arbeitzimmer. Zweifelhaft ist aber, ob das FG das Arbeitszimmer zu Recht nicht als Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit angesehen hat. Ein solcher Mittelpunkt ist anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige dort die Handlungen vornimmt und Leistungen erbringt, die für den konkret ausgeübten Beruf wesentlich und prägend sind, d.h. den qualitativen Schwerpunkt der betrieblichen und beruflichen Betätigung des Steuerpflichtigen bilden. Dabei kann das häusliche Arbeitszimmer selbst dann (noch) den Mittelpunkt einer beruflichen Betätigung bilden, wenn die außerhäuslichen Tätigkeiten überwiegen.
Danach muss das häusliche Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt "jedweder" oder "einer jeden einzelnen betrieblichen und beruflichen Tätigkeit" bilden. Maßgeblich ist vielmehr die "gesamte betriebliche und berufliche" Betätigung. Entsprechend wird der Schwerpunkt der Gesamttätigkeit durch den Mittelpunkt der Haupttätigkeit indiziert. Liegt dieser nicht im häuslichen Arbeitszimmer, so kann regelmäßig auch der qualitative Schwerpunkt der Gesamttätigkeit nicht im häuslichen Arbeitszimmer gelegen haben. Haupttätigkeit in diesem Sinne ist eine nichtselbständig ausgeübte Vollzeitbeschäftigung auf Grund eines privatrechtlichen Arbeits- bzw. Angestellten- oder eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses. Bei Ausübung mehrerer selbständiger oder nichtselbständiger Tätigkeiten muss das FG zur Bestimmung der Haupttätigkeit auf weitere, im zweiten Leitsatz genannte Indizien zurückgreifen.
Praxishinweis
Für die Qualifizierung des Arbeitszimmers ist es ohne Bedeutung, ob der Raum eine Betriebsstätte i.S. des § 12 AO darstellt.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 16.12.2004, IV R 19/03