Leitsatz
Ein wirksamer Antrag auf "schlichte" Änderung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO zugunsten des Steuerpflichtigen muss das verfolgte Änderungsbegehren innerhalb der Einspruchsfrist seinem sachlichen Gehalt nach zumindest in groben Zügen zu erkennen geben. Angaben zur rein betragsmäßigen Auswirkung der Änderung auf die Steuerfestsetzung (z.B.: "die Steuer auf … EUR festzusetzen") sind für einen wirksamen Antrag weder erforderlich noch – für sich genommen – ausreichend.
Sachverhalt
Das Finanzamt hatte die Einkommensteuer 2000 für Eheleute aufgrund geschätzter Besteuerungsgrundlagen unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt. Mit Bescheid vom 20.8.2003 hob das Finanzamt den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Darauf beantragten die Eheleute mit Schreiben vom 21.9.2003 eine "schlichte Änderung nach § 172 Abs. 1 Nr. 2a AO" und führten aus: "Die Besteuerungsgrundlagen wurden durch Schätzung ermittelt. Die Steuererklärung wird bis zum 24.10.2003 beim Finanzamt eingereicht. Es wird eine Herabsetzung auf "Null" beantragt". Das Finanzamt lehnte den Antrag mit Bescheid vom 31.10.2003 ab, da die Steuererklärung bislang nicht eingereicht worden sei. Dagegen legten die Eheleute am 2.12.2003 Einspruch ein und stellten die Abgabe der Steuererklärung bis 20.12.2003 in Aussicht. Diese ging am 7.1.2004 beim Finanzamt ein. Am 15.1.2004 wies das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück. Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt. Die Revision hatte Erfolg. Der BFH hob die Vorentscheidung auf und wies die Klage ab.
Entscheidung
§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO ermöglicht nur eine punktuelle Änderung der ursprünglichen Steuerfestsetzung. Dies setzt den Bezug des Änderungsantrags zu einem konkreten Sachverhalt voraus. Denn die Änderung ist nach Halbsatz 1 der Vorschrift nur zulässig, soweit dem Antrag des Steuerpflichtigen "der Sache nach entsprochen wird". Unter "Sache" ist der Lebenssachverhalt zu verstehen, der nach Ansicht des Steuerpflichtigen im ursprünglichen Steuerbescheid nicht zutreffend gewürdigt worden ist und daher bei der beantragten Änderung abweichend berücksichtigt werden soll. Die betragsmäßige steuerliche Auswirkung der Abweichung bildet diesen Lebenssachverhalt lediglich reflexartig ab, ohne dabei selbst zum Gegenstand des Änderungsantrags zu werden. Dafür, dass zum Offenhalten des Steuerbescheids im Wege des Antrags auf "schlichte Änderung" nicht die Nennung eines betragsmäßigen Änderungsrahmens, sondern das Kenntlichmachen einzelner sachverhaltsbezogener Korrekturpunkte erforderlich ist, spricht vor allem der gesetzessystematische und teleologische Vergleich des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO mit den Vorschriften über den Einspruch.
Daraus folgt, dass ein Antrag auf "schlichte" Änderung nicht hinreichend bestimmt ist, wenn er lediglich auf die Herabsetzung der Steuer auf "Null" oder auf einen beliebigen anderen, näher bezeichneten Betrag gerichtet ist. Das gilt auch dann, wenn der Antrag hinsichtlich der Korrekturpunkte im Einzelnen auf eine zu einem späteren Zeitpunkt – außerhalb der Einspruchsfrist – nachzureichende Steuererklärung verweist.
Praxishinweis
Nach der Rechtsprechung setzt ein wirksamer Antrag auf "schlichte Änderung" eines Steuerbescheids zu Gunsten des Steuerpflichtigen voraus, dass der Antrag innerhalb der Einspruchsfrist gestellt und hinreichend konkretisiert wird. Es reicht deshalb nicht aus, den innerhalb der Rechtsbehelfsfrist gestellten Antrag erst nach deren Ablauf zu konkretisieren. Erstrebt der Steuerpflichtige die Herabsetzung der Steuer nach Maßgabe der von ihm noch einzureichenden Steuererklärung, so setzt eine Konkretisierung in diesem Sinne die im Leitsatz des Besprechungsurteils aufgestellten Mindestanforderungen voraus.
Im Besprechungsfall hätten die Steuerpflichtigen den Schätzungsbescheid besser per Einspruch angefochten. Diesen Weg wollte deren Steuerberater offenbar nicht beschreiten, um etwaige nachteilige Rechtsfolgen einer Präklusion nach § 364b Abs. 2 Satz 1 AO zu vermeiden.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 20.12.2006, X R 30/05