Rz. 1
Sieht man von dem ›Verfolgungsrecht‹ der Gläubiger gem. § 34 Abs. 5 ab (vgl. oben § 34 RN 47 ff.), so kann sich eine persönliche Außenhaftung der Vorstandsmitglieder gegenüber Dritten sowohl aus sondergesetzlichen Regelungen, als auch nach Maßgabe der allgemeinen Bestimmungen des Deliktsrechts ergeben. Allerdings kommt eine solche Einstandspflicht der Organwalter für Verbindlichkeiten der Genossenschaft im Lichte des Trennungsgrundsatzes (vgl. § 2 RN 1) nur ausnahmsweise in Betracht und bedarf in jedem Falle eines besonderen Zurechnungsgrundes.
Rz. 2
Eine mögliche Haftung der Vorstandsmitglieder für Steuerverbindlichkeiten der Genossenschaft folgt hierbei aus §§ 34, 69 AO. Gemäß § 34 AO haben die Vorstandsmitglieder als gesetzlicher Vertreter für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der Genossenschaft Sorge zu tragen. Sie haften persönlich, ›soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge‹ (§ 69 AO). Die Pflichtverletzung des Organwalters muss folglich ursächlich den Ausfall der Steuerforderung gegenüber der (insolventen) Genossenschaft herbeigeführt haben. Dies betrifft neben der verspäteten Abgabe steuerlich relevanter Erklärungen vor allem die Verletzung von Zahlungspflichten. Dabei ist im Vorfeld der Insolvenz dem Grundsatz ›gleichmäßiger Befriedigung von Privat- und Steuergläubiger‹ Rechnung zu tragen. Vorstandsmitglieder trifft somit eine Einstandspflicht, wenn sie nach Eintritt der Liquiditätskrise Steuerverbindlichkeiten nicht zumindest im gleichen Umfange tilgen wie sonstige Schulden (BFH ZIP 1991, S. 1008 f.). Dies gilt auch hinsichtlich der (treuhänderisch) einbehalten Lohnsteuer (§§ 38 Abs. 3, 41 a EStG) der Arbeitnehmer. Reichen die verfügbaren Mittel der Genossenschaft nicht aus, Leistungen in Höhe der Bruttolöhne zu erbringen, so sind die Lohnzahlungen zu kürzen und die auf die ›Abschläge‹ entfallende Lohnsteuer in voller Höhe an das Betriebsstätten-Finanzamt abzuführen (BFH GmbHR 1990, S. 476).
Rz. 3
Dabei sind grundsätzlich alle Vorstandsmitglieder für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten verantwortlich (vgl. bereits oben § 34 RN 10 ff.). Einer Ressortaufteilung kommt nur insofern haftungsrechtliche Bedeutung zu, als diese unter Beachtung der innergenossenschaftlichen Zuständigkeitsordnung schriftlich niedergelegt ist und eine eindeutige Abgrenzung der Verantwortungsbereiche enthält (BFH NJW 1998, S. 3374 ff., 3373). Im Übrigen bleibt auch im Rahmen einer wirksamen Geschäftsverteilung ein Mindestbestand an Gesamtverantwortung der nach der Geschäftsverteilung ›unzuständigen‹ Organwalter bestehen. Diese sind somit verpflichtet, sich regelmäßig über die Erfüllung der steuerlichen Verbindlichkeiten zu unterrichten und bei Anzeichen von ›Unregelmäßigkeiten‹ korrigierende Maßnahmen zu ergreifen (BFH ZIP 1986, S. 1247 f.). Kommt es zu einer ›Liquiditätskrise‹, so lebt grundsätzlich die unbeschränkte Gesamtverantwortung aller Organwalter wieder auf.