Leitsätze (amtlich)
- Die Verpflichtung des Testamentsvollstreckers zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung gemäß § 31 Abs. 5 ErbStG setzt nicht voraus, dass die Erben vom FA gemäß Abs. 1 aufgefordert worden sind, eine Erklärung abzugeben.
- Die nicht rechtzeitige Abgabe der Erbschaftsteuererklärung durch den Testamentsvollstrecker hemmt den Anlauf der Frist für die Festsetzung der Erbschaftsteuer gegenüber den Erben.
Sachverhalt
Die am 3.2.1989 verstorbene Erblasserin hatte durch notarielles Testament die Antragstellerin als Miterbin eingesetzt und Testamentsvollstreckung angeordnet. Das Testament wurde am 14.2.1989 von einem deutschen Notar eröffnet. Das Finanzamt forderte am 25.10.1989 erstmals den vom Nachlassgericht ernannten Testamentsvollstrecker auf, eine ErbSt-Erklärung abzugeben. Diese ging am 7.4.1993 beim Finanzamt ein. Mit Bescheid vom 15.4.1994 setzte das Finanzamt gegenüber der Antragstellerin ErbSt fest. Über den Einspruch der Antragstellerin gegen diesen Bescheid hat das Finanzamt noch nicht entschieden. Die Antragstellerin beantragte nach ablehnender Entscheidung des Finanzamts beim FG die Aufhebung der Vollziehung des Steuerbescheids wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist. Das FG gab dem Antrag statt. Die Beschwerde des Finanzamts vor dem BFH hatte Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die vom FG geäußerten Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids vom 15.4.1994 wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist sind nicht gerechtfertigt. Die Verpflichtung des Testamentsvollstreckers zur Abgabe der Steuererklärung hatte zur Folge, dass der Anlauf der Frist für die Festsetzung der ErbSt gegenüber der Antragstellerin nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO gehemmt war. Der Testamentsvollstrecker war gemäß § 31 Abs. 5 ErbStG verpflichtet, die Steuererklärung abzugeben. Es kann unentschieden bleiben, ob ein Testamentsvollstrecker erst dann zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet ist, wenn das Finanzamt -vergleichbar der Regelung in § 31 Abs. 1 ErbStG für die Erben - ihn hierzu auffordert oder ob die Vorschrift keine Aufforderung voraussetzt. Denn im Streitfall hat das Finanzamt die Abgabe der Erklärung vom Testamentsvollstrecker verlangt.
Der Senat hat bisher offengelassen, ob die Verpflichtung des Testamentsvollstreckers aus § 31 Abs. 5 ErbStG davon abhängt, dass das Finanzamt die Erben zur Abgabe von Steuererklärungen auffordert. Die Frage ist zu verneinen. Nach dem Wortlaut sind Abs. 1 und Abs. 5 des § 31 ErbStG voneinander unabhängig. Sie stehen gleichgeordnet nebeneinander und nehmen nicht aufeinander Bezug. Diese eigenständige Verpflichtung entspricht dem Zweck der Norm und der bürgerlichrechtlichen Stellung des Testamentsvollstreckers, die sich das ErbSt-Recht zunutze macht, indem es ihn, der den Nachlass in Besitz hat und dementsprechend primär in der Lage ist, die in § 31 Abs. 2 ErbStG geforderten Angaben zu machen, zur Abgabe der Steuererklärung verpflichtet. Zudem widerspräche es dem Bestimmtheitsgebot des § 119 Abs. 1 AO, die Wirksamkeit der an den Testamentsvollstrecker gerichteten Aufforderung, eine ErbSt-Erklärung abzugeben, von der - wirksamen - an (alle) Erben gerichteten Aufforderung abhängig zu machen, auch selbst ErbSt-Erklärungen abzugeben. Die nicht rechtzeitige Abgabe der ErbSt-Erklärung durch den Testamentsvollstrecker hemmte den Anlauf der Festsetzungsfrist für die Antragstellerin. Wie der Senat allerdings angenommen hat, reicht die Handlungspflicht von vom Steuerpflichtigen unabhängigen Dritten nicht aus, um die Anlaufhemmung in Gang zu setzen. Als unabhängige Dritte i.S. dieser Rechtsprechung sind anzeigepflichtige Gerichte, Behörden, Notare angesehen worden. Der Testamentsvollstrecker ist zwar nicht Vertreter der Erben, aber auch nicht Dritter i.S. dieser Rechtsprechung, sondern vielmehr jemand, der für den oder die Erben handelt. Denn er nimmt, soweit seine Verwaltungsbefugnis reicht, die Rechte und Pflichten des Erben den Nachlass betreffend wahr. Es muss demnach für die Frage der Anlaufhemmung gemäß § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO auf die Handlungspflicht des Testamentsvollstreckers abgestellt werden. Erfüllt er seine Erklärungspflicht nicht rechtzeitig, so führt dies zur Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO.
Link zur Entscheidung
BFH vom 7.12.1999 - II B 79/99