Leitsatz
Der Kaufmann hat in seiner Bilanz für den Schluss eines Geschäftsjahres seine Verbindlichkeiten (Schulden) vollständig auszuweisen. Streitig ist, ob eine Rückstellung zu bilden ist für Anliegerbeiträge, die ein Grundstück betreffen, das zur Zeit des Erwerbs bereits erschlossen war.
Sachverhalt
Die Steuerpflichtige – eine GmbH – erwarb am 6.6.1991 von der Treuhand ein bereits erschlossenes Betriebsgrundstück. Nach der Satzung konnten von den Grundstückseigentümern Wasserversorgungs- und Abwasserbeiträge erhoben werden. Die Beiträge entstanden mit In-Kraft-Treten der Satzung am 1.10.1997. Die Fälligkeit der Beiträge war von der Bekanntgabe des Abgabenbescheids abhängig.
Für die Wasserversorgungs- und Abwasserbeiträge von 297000 DM bildete die Steuerpflichtige erstmals am 31.12.1997 Rückstellungen. Das Finanzamt erkannte diese mit dem Hinweis nicht an, dass die Beiträge nachträgliche Anschaffungskosten für den Grund und Boden sowie für das Gebäude darstellten.
Der BFH entscheidet, dass die Verpflichtung zur Erbringung der Beiträge zu passivieren ist. Nach der Satzung entstand die Beitragsverpflichtung am 1.10.1997 und somit vor dem Bilanzstichtag. Lediglich die Fälligkeit der Beiträge ist von der Bekanntgabe des Abgabenbescheids abhängig.
Sowohl die Passivierung einer Verbindlichkeit als auch einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten setzen voraus, dass der zu ihrer Erfüllung anfallende Aufwand nicht als Anschaffungs- oder Herstellungsaufwand zu aktivieren ist. Durch die Passivierung soll eine durch den Aufwand bedingte künftige Ergebnisminderung antizipiert werden. Da die zu leistenden Beiträge keine Anschaffungskosten des Grundstücks darstellen, ist die Passivierung der Beiträge zu Recht erfolgt.
Zwar führen Beiträge zur Erschließung eines Grundstücks grundsätzlich zu Anschaffungskosten. Allerdings können Anschaffungskosten nur solche Kosten sein, die nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten dessen Beschaffung tatsächlich zuzurechnen sind. Hierzu ist ein bloßer kausaler oder zeitlicher Zusammenhang mit der Anschaffung nicht ausreichend. Vielmehr kommt es auf die Zweckbestimmung der Aufwendungen an ("finaler Begriff" der Anschaffungskosten). Dieser Zweck muss auf die beabsichtigte Funktion und Eigenschaft des angeschafften Wirtschaftsguts als Teil des Betriebsvermögens gerichtet sein. Erheben Gemeinden Beiträge zur Verbesserung ihrer Infrastruktur, können darin nur nachträgliche Anschaffungskosten der Grundstücke gesehen werden, wenn sie deren Benutzbarkeit zugute kommen und zu einer Wertsteigerung der Grundstücke selbst führen.
Es fehlt an der Zweckbestimmung der Beitragsleistung im Hinblick auf das erworbene Grundstück. Die Beiträge dienten einer angemessenen Ausstattung öffentlicher Einrichtungen mit Betriebskapital, die sich am Wiederbeschaffungswert der insgesamt erforderlichen Anlagen als Ausgangsgröße orientierten. Die Beitragsschuld ist für den jeweiligen Grundstückseigentümer entstanden, sobald das Grundstück an die öffentliche Einrichtung angeschlossen werden konnte, aber auch wenn es bereits angeschlossen war. Die Beitragserhebung war somit nicht an die erstmalige Erschließung eines Grundstücks geknüpft. Die Beiträge kommen Ergänzungsbeiträgen gleich, die Eigentümer bereits erschlossener Grundstücke zur Errichtung öffentlicher Anlagen zu leisten haben. Dies sind Aufwendungen zur Modernisierung öffentlicher Einrichtungen, die das Grundstück selbst unverändert lassen und dann wie Erhaltungsaufwand zu behandeln sind.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 3.8.2005, I R 36/04.