Prof. Dr. Andreas Herlinghaus
Leitsatz
Die nach Eintritt der Bestandskraft des deutschen Schenkungsteuerbescheids erfolgte Zahlung einer nach § 21 Abs. 1 ErbStG anrechenbaren ausländischen Steuer stellt ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar.
Sachverhalt
Die im Kanton Tessin lebende M schenkte ihrem Sohn S 1994 2 Geldbeträge. S war Inländer i.S.d. § 2 Abs. 1 ErbStG. Er erklärte die Schenkungen, worauf das deutsche und das tessinische Finanzamt Schenkungsteuer festsetzten. S beantragte, Letztere auf die deutsche Schenkungsteuer anzurechnen. Das Finanzamt lehnte dies mangels einschlägiger Korrekturnorm der AO ab. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das FG gab der Klage statt, der BFH sah das im Ergebnis auch so.
Entscheidung
Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ist bei Erwerbern, die in einem ausländischen Staat mit ihrem Auslandsvermögen zu einer der deutschen Erbschaftsteuer entsprechenden ausländischen Steuer herangezogen werden, in den Fällen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und, sofern nicht die Vorschriften eines DBA anzuwenden sind, auf Antrag die festgesetzte, auf den Erwerber entfallende, gezahlte und keinem Ermäßigungsanspruch unterliegende ausländische Steuer insoweit auf die deutsche Erbschaftsteuer anzurechnen, als das Auslandsvermögen auch der deutschen Erbschaftsteuer unterliegt. Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt.
Die Zahlung der festgesetzten tessinischen Schenkungsteuer stellt ein rückwirkendes Ereignis dar, weil ihr nach dem Willen des Gesetzgebers Wirkung für die Vergangenheit zukommen soll. Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des § 21 ErbStG, jedoch folgt dies aus dem materiell-rechtlichen Regelungsgehalt der Vorschrift:
- § 21 ErbStG bezweckt, Überschneidungen im internationalen Besteuerungsbereich möglichst zu vermeiden und eine doppelte steuerliche Belastung von Erwerbern mit in- und ausländischer Steuer qua Anrechnung zu beseitigen bzw. zu mildern. Die Anrechnung kann nur im Festsetzungsverfahren erfolgen, was wiederum bedeutet, dass die Annahme eines insoweit vorliegenden rückwirkenden Ereignisses Bedingung für die Berücksichtigung der ausländischen Steuer ist. Würde man dies anders sehen, könnte der Zweck des § 21 ErbStG nicht erreicht werden, denn eine ausländische Steuer kann "denklogisch erst nach dem Tod des Erblassers festgesetzt und gezahlt worden sein". Zudem "muss die Festsetzung und Zahlung der ausländischen Steuer auf den Zeitpunkt der Entstehung der Erbschaftsteuer im Moment des Todes des Erblassers zurückwirken".
- Diese Interpretation entspricht der Handhabung der Steueranrechnung nach § 34c EStG.
Link zur Entscheidung
BFH, 22.09.2010, II R 54/09.