Leitsatz (amtlich)

Errechnet die Bank bei vorzeitiger Beendigung eines Darlehensvertrages die ihr gegen den Steuerpflichtigen zustehende Vorfälligkeitsentschädigung auf der Grundlage des Effektivzinses und zieht sie dabei den auf die Zeit nach der Vertragsbeendigung entfallenden Rest des Disagios als Rechnungsposten ab, so fließen dem Steuerpflichtigen dadurch keine Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung in Höhe des restlichen Disagios zu.

 

Sachverhalt

Der Kläger war an einer GbR beteiligt, aus der er Vermietungseinkünfte erzielte. Die Anschaffung der Beteiligung (1986) und ihre spätere Aufstockung (1989) hatte er im Wesentlichen durch Darlehen finanziert, für die die Sparkasse jeweils ein Disagio einbehalten hatte. Die Disagiobe-träge waren jeweils bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus der GbR als Sonderwerbungskosten berücksichtigt worden. Als der Kläger die GbR-Beteiligung im Dezember 1993 verkaufte, erklärte sich die Sparkasse mit der vorzeitigen Rückzahlung der Darlehen gegen eine Vorfälligkeitsentschädigung bereit, die sie wie folgt ermittelte: Zinsschaden der Sparkasse 69 513,06 DM abzüglich des anteilig auf die Zeit nach Vertragsbeendigung entfallenden Disagios 30 003,80 DM (Differenz 39 509,26 DM). Der Kläger machte die im Streitjahr 1994 geleistete (gerundete) Abstandszahlung von 39 400 DM bei der Ermittlung seiner Einkünfte als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt versagte den Abzug, weil die Vorfälligkeitsentschädigung durch die Veräußerung des GbR-Anteils veranlasst sei, erfasste aber das mit dem Zinsschaden der Sparkasse verrechnete anteilige Disagio von 30 003 DM als Einnahme, weil es sich um die Rückzahlung von Werbungskosten handle. Das FG wies die dagegen gerichtete Klage ab[1]. Die Revision des Klägers hatte Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Das FG ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die vom Kläger geschuldete Vorfälligkeitsentschädigung nicht als Werbungskosten bei seinen Vermietungseinkünften abziehbar ist. Eine zur vorzeitigen Ablösung eines Darlehens gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung steht, wenn sie - wie im Streitfall - durch die Grundstücksveräußerung veranlasst ist, ebenso wie andere Veräußerungskosten mit dem nicht steuerbaren Vermögensbereich im Zusammenhang[2].

Das FG ist ferner zutreffend davon ausgegangen, dass die Rückzahlung von Werbungskosten grundsätzlich zu Einnahmen der betreffenden Einkunftsart führt[3], und dass die Verrechnung wechselseitiger Ansprüche einen Zufluss gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG bedeuten kann[4].

Das FG hat indes nicht berücksichtigt, dass dem Kläger im Streitfall der auf die Zeit nach der vorzeitigen Beendigung des Darlehensvertrages entfallende Rest des Disagios nicht durch Verrechnung mit einem selbständigen Gegenanspruch zugeflossen ist, weil der Rest des Disagios nur einen Rechnungsposten zur Ermittlung der Entschädigung der Sparkasse bildete. Ein Zufluss wechselseitiger Ansprüche durch Aufrechnung oder einen Verrechnungsvertrag setzt voraus, dass sich zwei voneinander unabhängige fällige Ansprüche gegenüberstehen. Davon ist - schon bürgerlich-rechtlich - die sog. Anrechnung zu unterscheiden, bei der zur Ermittlung der Höhe eines einzigen Anspruchs unselbständige Rechnungsposten in Abzug zu bringen sind[5]. Um eine solche Ermittlung eines Anspruchs durch Abzug unselbständiger Rechnungsposten handelt es sich auch dann, wenn ein Darlehensnehmer aus einem Darlehensvertrag mit fester Laufzeit entlassen werden will und die Bank dem nur gegen eine Entschädigung zustimmt, die sie anhand ihres Zinsschadens und unter Abzug des auf die Zeit nach der Darlehensbeendigung entfallenden Anteils des Disagios ermittelt. In derartigen Fällen hat die Bank einen Anspruch, finanziell so gestellt zu werden, wie sie bei Durchführung des Darlehensvertrages bis zum Ende der vereinbarten Laufzeit gestanden hätte[6]. Die Bank darf deshalb die Beendigung des Darlehensvertrags davon abhängig machen, dass ihr das gesamte bei Auszahlung des Darlehens einbehaltene Disagio verbleibt; gibt sie sich damit nicht zufrieden, sondern berechnet sie die ihr aufgrund der vorzeitigen Vertragsbeendigung entgangenen Zinsen auf der Grundlage des Effektivzinses, so muss sie den auf die Zeit nach der Vertragsbeendigung entfallenden Rest des Disagios in Abzug bringen, weil das Disagio im Effektivzins enthalten ist. Das restliche Disagio ist somit ein Rechnungsposten der Vorfälligkeitsentschädigung, die die Bank beanspruchen kann.

Die vorstehende bürgerlich-rechtliche Rechtslage prägt auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im einkommensteuerrechtlichen Sinne. Hat der Steuerpflichtige bei vorzeitiger Beendigung eines Darlehensvertrags eine Vorfälligkeitsentschädigung zu entrichten, bei deren Berechnung auf der Grundlage des Effektivzinses die Bank den auf die Zeit nach der Vertragsbeendigung entfallenden Rest des Disagios abgezogen hat, so ist der Steuerpflichtige einem Anspruch der Bank in Höhe der so ermittelten Vorfälligkeitsentschädigung ausgesetzt. I...

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