Leitsatz (amtlich)

Ausbildungshilfen aus öffentlichen Kassen sind bei der Gewährung eines Ausbildungsfreibetrages grundsätzlich in voller Höhe zu berücksichtigen (Grundsatz der Vollanrechnung). Negative Einkünfte können mit derartigen Ausbildungshilfen nicht verrechnet werden.

 

Sachverhalt

Die Kläger wurden im Streitjahr 1997 zusammen zur ESt veranlagt. Ihre 1980 geborene Tochter war zwecks Ausbildung ab 1.8.1997 auswärtig untergebracht. Sie erhielt im Streitjahr eine Ausbildungsvergütung von insgesamt 4 395 DM. Das Arbeitsamt zahlte ihr zusätzlich eine Berufsausbildungsbeihilfe von 2 640 DM. In ihrer ESt-Erklärung für 1997 beantragten die Kläger für die Tochter einen anteiligen Ausbildungsfreibetrag für August bis Dezember von 750 DM. Das Finanzamt lehnte den Abzug ab. Die Werbungskosten seien nicht im Zusammenhang mit der Ausbildungshilfe entstanden. Die Ausbildungshilfe könne nicht mit den - negativen - Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit verrechnet werden. Die Berufsausbildungsbeihilfe sei hiervon nicht abzuziehen, da diese mit den die Einkünfte der Tochter übersteigenden Werbungskosten von 8 061 DM (Reinigungskosten, Fahrtkosten, Miete, Verpflegungsmehraufwendungen) zu verrechnen sei. Klage[1] und Revision blieben erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

Nach § 33a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG wird auf Antrag vom Gesamtbetrag der Einkünfte je Kalenderjahr ein Ausbildungsfreibetrag für ein auswärtig untergebrachtes Kind, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, von 1 800 DM abgezogen, wenn dem Steuerpflichtigen Aufwendungen für die Berufsausbildung eines Kindes, für das er einen Kinderfreibetrag oder Kindergeld erhält, erwachsen. Der Ausbildungsfreibetrag vermindert sich nach Satz 2 um die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes, die zur Bestreitung seines Unterhalts oder seiner Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, soweit diese 3 600 DM im Kalenderjahr übersteigen, sowie um die von dem Kind als Ausbildungshilfe aus öffentlichen Mitteln bezogenen Zuschüsse. Für jeden vollen Kalendermonat, in dem die in Abs. 2 bezeichneten Voraussetzungen nicht vorgelegen haben, ermäßigen sich die dort bezeichneten Beträge um je 1/12. Als Ausbildungshilfe bezogene Zuschüsse mindern nur die zeitanteiligen Höchstbeträge und Freibeträge der Kalendermonate, für die die Zuschüsse bestimmt sind[2]. Rechtsprechung und Schrifttum legen § 33a Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 EStG in der Weise aus, dass grundsätzlich Ausbildungshilfen aus öffentlichen Kassen in voller Höhe zu berücksichtigen sind[3].

Der 2. Halbsatz dieser Regelung knüpft mit den Worten "sowie um" an die im 1. Halbsatz angeordnete Rechtsfolge an "die Ausbildungsfreibeträge vermindern sich …". Mit der Verwendung des gesetzlich in § 2 Abs. 2 EStG definierten Begriffs "Einkünfte" ist klargestellt, dass insoweit sämtliche Werbungskosten gegen zu rechnen sind. Ebenso kommt durch die Anrechnungsgrenze von 3 600 DM zum Ausdruck, dass beim Abzug des Ausbildungsfreibetrages zu berücksichtigende Einkünfte und Bezüge einerseits und Ausbildungsbeihilfen andererseits in unterschiedlicher Weise berücksichtigt werden sollen. Fördert der Staat durch öffentliche Zuschüsse die Ausbildung eines Kindes bereits nach bestimmten Wertungen und Bedarfskriterien, so entstünde insoweit ein Widerspruch, wenn in Anknüpfung an denselben Sachverhalt steuerlich eine noch weiter gehende Entlastung einträte. Vielmehr ist es dann sachlich gerechtfertigt, den insoweit geleisteten und als bedarfsgerecht angesehenen Zuschuss auch ungekürzt von der steuerlichen Förderung abzusetzen.

Die Anrechnungsregelung in § 33a Abs. 2 Satz 2 EStG geht auf das 2. HStruktG[4] zurück. Nachdem der Gesetzgeber mit dem sog. Omnibusgesetz[5] zunächst darauf verzichtet hatte, die Zuschüsse nach dem BAföG auf die Freibeträge anzurechnen, führte er die Vollanrechnung nicht nur dieser Zuschüsse ab 1982 wieder ein, sondern dehnte sie auf sämtliche Ausbildungshilfen aus öffentlichen Mitteln aus. Auch im Rahmen der Neuregelung der Ausbildungsfreibeträge für sog. Auslandskinder und über 27 Jahre alte Kinder, die Grundwehrdienst oder Zivildienst geleistet haben, hob der Gesetzgeber erneut ausdrücklich hervor, dass Zuschüsse, die ein Kind als Ausbildungshilfe aus öffentlichen Mitteln erhalte, stets voll auf die Ausbildungsfreibeträge anzurechnen seien[6].

Im Schrifttum wird einhellig davon ausgegangen, dass während des betreffenden Ausbildungszeitraums bezogene öffentliche Ausbildungshilfen im Rahmen des § 33a Abs. 2 Satz 2 EStG voll anzurechnen sind[7]. Danach können negative Einkünfte nur zur Minderung im Grundsatz anzurechnender Einkünfte oder Bezüge genutzt werden[8].

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 7.3.2002 – III R 22/01

[3] Grundsatz der Vollanrechnung vgl. z.B. BFH-Urteil vom 19.9.2001, III R 1/00, BFH/NV 2002, S. 255, 256
[4] BStBl I1982, S. 235
[5] BStBl I1980, S. 581
[6] Vgl. BT-Drs. 11/2157, S. 151
[7] Vgl. z.B. Glane...

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