Leitsatz

Weist der Erwerber eines erbbaurechtsbelasteten Grundstücks nach, dass dessen gemäß § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG ermittelter Wert mehr als das Dreifache seines gemeinen Werts im unbebauten Zustand ausmacht, und hat er beim Heimfall des Erbbaurechts eine angemessene Entschädigung für die Gebäude zu zahlen, ist der Grundstückswert im Wege verfassungskonformer Auslegung entsprechend Satz 2 der Vorschrift i.V.m. § 146 Abs. 7 oder §§ 147, 145 Abs. 3 Satz 3 BewG auf den nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert festzustellen.

 

Sachverhalt

Zum Nachlass gehörte ein erbbaurechtsbelastetes Grundstück. Der jährliche Erbbauzins betrug 70000 DM. Alleinerbe A war verpflichtet, beim Heimfall oder Erlöschen des Erbbaurechts eine Entschädigung für die Gebäude zu zahlen. Das Finanzamt stellte den Wert des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks zum Todestag der Mutter auf 1302000 DM (18,6 × 70000 DM) fest. Der Verkehrswert des Grund und Bodens belief sich zu diesem Stichtag auf 400200 DM. Bei Erlöschen des Erbbaurechts zu diesem Stichtag hätte A eine Entschädigung von 842887 DM zahlen müssen. A machte geltend, die Wertfeststellung des Finanzamts verstoße gegen das Übermaßverbot.

 

Entscheidung

  1. Die Rückwirkung des ErbStG i.d.F. des JStG 1997 auf den 1.1.1996 ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Mit dem Ergehen des Beschlusses des BVerfG vom 22.6.1995[1] bestand kein schutzwürdiges Vertrauen der Betroffenen in den Fortbestand der bisherigen Regelungen zur Bewertung des Grundvermögens für Erbschaftsteuerzwecke mehr. Das BVerfG hatte ausdrücklich angeordnet, dass das bisherige Recht für Erwerbe ab dem 1.1.1996 der Besteuerung nur noch vorläufig gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AO zugrunde gelegt werden durfte.
  2. Gemäß § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG beträgt der Wert eines mit einem Erbbaurecht belasteten Grundstücks das 18,6-fache des jährlichen Erbbauzinses. Diese Wertermittlungsmethode ist typisierend und hat weder einen Bezug zum (gemeinen) Wert des Grundstücks einschließlich der Gebäude noch zur (Rest-)Laufzeit des Erbbaurechts. Dies kann dazu führen, dass die nach § 148 Abs. 1 BewG anzusetzenden Grundstückswerte die gemeinen Werte des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks übersteigen.

Die Typisierung rechtfertigt keine Verletzung des Übermaßverbots im Einzelfall. Das Übermaßverbot ist verletzt, wenn die Folgen einer schematisierenden Belastung extrem über das normale Maß hinausgehen, das der Schematisierung zugrunde liegt. Diese Voraussetzungen liegen beim Ansatz des dreifachen Verkehrswerts vor. Bei Verstoß gegen das Übermaßverbot ist eine verfassungskonforme Auslegung des § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG geboten und der Grundstückswert entsprechend Satz 2 der Vorschrift i.V.m. § 146 Abs. 7 oder den §§ 147, 145 Abs. 3 Satz 3 BewG auf den nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert festzustellen.

 

Praxishinweis

Der Verstoß gegen das Übermaßverbot ist nicht immer so eindeutig wie im Urteilsfall. Bei der Prüfung, ob ein solcher Verstoß vorliegt, ist neben einer möglichen Entschädigung auch die Laufzeit des Erbbaurechts zu berücksichtigen. Ferner kommt es nicht nur auf den Prozentsatz der Überschreitung des Verkehrswerts (etwa 50 %?), sondern auch auf die Auswirkungen bei der Erbschaftsteuer an. Je höher im Einzelfall die letztlich anzulegenden Steuertarife sind, desto früher ist die Grenze zum Übermaß erreicht.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 5.5.2004, II R 45/01

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