Leitsatz

Erwirbt eine Person gleichzeitig sämtliche Anteile an einer Personengesellschaft, ist der Vorgang als Anschaffung der Wirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens zu beurteilen.

 

Sachverhalt

Die Kläger waren Gesellschafter einer zwischenzeitlich erloschenen, im Dezember 1993 zum Erwerb und zur Verwaltung von Grundstücken gegründeten KG. Die KG erwarb sämtliche Anteile an GbR, die nur zum Erwerb von Grundstücken gegründet worden waren und deren Vermögen allein aus den Ansprüchen und Verpflichtungen aus den Kaufverträgen bestand. Nutzungen und Lasten der Grundstücke sollten zum 31.12.1993 auf den Käufer übergehen. Die Grundstücke gehörten zu einer größeren Zahl von Immobilien, die vom Land Y meistbietend verkauft wurden. Die KG erhielt den Zuschlag für drei Lose mit insgesamt 46 Grundstücken. Als Käufer trat für jedes Grundstück eine eigens gegründete GbR auf. Die hiesige GbR bot das Grundstück der KG zum Kauf an. Dabei trat die KG an Stelle der GbR in die Rechte und Pflichten aus dem Kaufvertrag ein und erwarb zugleich die Anteile an der GbR, so dass eine – bei direktem Kauf des Grundstücks erforderliche – Genehmigung des Landesamts für offene Vermögensfragen und eine sanierungsrechtliche Genehmigung entbehrlich waren. Mit Veräußerung und Abtretung ihrer Anteile ging die GbR vereinbarungsgemäß unter.

Die KG behandelte die Kaufpreise für das Grundstück und die GbR-Anteile insgesamt als Anschaffungskosten des Grundstücks. Von den auf das Gebäude entfallenden Anschaffungskosten nahm sie im Streitjahr 1993 eine Sonderabschreibung nach § 4 FördG von 50 % vor. Nach Auffassung des Finanzamts gehörten die Kosten für den Erwerb der GbR-Anteile zwar zu den Anschaffungskosten des Grundstücks, seien aber nicht nach den §§ 3, 4 FördG begünstigt. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Die Revision ist begründet und führt wegen fehlender Feststellungen zur Höhe und zur Verteilung des Gewinns zur Zurückverweisung an das FG. Im Streitfall können Sonderabschreibungen nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 FördG in Anspruch genommen werden. Die KG hat eine nach dem FördG begünstigte Investition vorgenommen. Sie hat ein im Fördergebiet belegenes Grundstück mit aufstehendem Gebäude angeschafft und ihrem Betriebsvermögen zugeführt. Die Anschaffung erfolgte mit wirtschaftlichem Übergang des Grundstücks am 31.12.1993, also vor dem Stichtag 1.1.1994. Bemessungsgrundlage für die Abschreibung sind die auf das Gebäude entfallenden Anschaffungskosten der KG. Der Begriff der Anschaffungskosten i.S. des FördG deckt sich mit dem des § 255 HGB[1]. Anschaffungskosten sind danach diejenigen Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen[2]. Dazu gehört im Streitfall auch der Preis für den Erwerb der GbR-Anteile, da er Voraussetzung für die Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht an dem Grundstück und der Erwerb nicht auf das Halten eines eigenständigen Wirtschaftsguts gerichtet war, weil die erworbenen Anteile an der GbR zugleich mit ihrer Übertragung auf die KG untergingen. Deshalb ist der Vorgang als Anschaffung der Aktiva und Passiva der GbR zu behandeln, welche lediglich aus den Ansprüchen und Verpflichtungen aus dem Grundstückskaufvertrag bestanden. Der Kaufpreis für die GbR-Anteile führt deshalb nicht zu Anschaffungskosten für die Beteiligung, sondern zu Anschaffungskosten für das Grundstück.

 

Praxishinweis

Grundsätzlich führt der Erwerb einer Beteiligung an einer Personengesellschaft handelsrechtlich zur Anschaffung eines Vermögensgegenstands und steuerrechtlich zur Anschaffung von Anteilen an den Aktiva und Passiva der Personengesellschaft[3]. Die Anschaffungskosten für die Beteiligung spiegeln sich deshalb im Kapitalkonto des Gesellschafters bei der Personengesellschaft, das bei höheren Anschaffungskosten im Wege einer Ergänzungsbilanz erhöht wird, wider.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 8.9.2005, IV R 52/03

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