Prof. Dr. Bernd Heuermann
Leitsatz
Wird eine Erbengemeinschaft vor dem in der Teilungsanordnung festgelegten Termin durch Realteilung aufgelöst und übernimmt ein Miterbe Schulden, die auf einem für einen anderen Miterben bestimmten Grundstück lasten, so bildet eine solche Schuldübernahme Anschaffungskosten, wenn sie eine Gegenleistung dafür ist, dass der übernehmende Miterbe den ihm erst zu einem späteren Zeitpunkt zugedachten Grundbesitz vorzeitig aus dem Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft in sein eigenes Vermögen überführen kann.
Sachverhalt
A hatte seine drei Kinder B, C und D durch ein 1986 errichtetes Testament als Erben eingesetzt. Die Erbengemeinschaft sollte bis zum 31.12.1996 bestehen bleiben und dann so geteilt werden, dass die drei Erben verschiedene näher bezeichnete Grundstücke erhielten. Bis zur Auflösung der Erbengemeinschaft sollte B den gesamten Besitz in Absprache mit C und D verwalten. Der Überschuss sollte unter den drei Erben aufgeteilt werden. 1987 verstarb A; D schied im Jahr 1989 gegen eine Abfindung aus der Erbengemeinschaft aus. Nachdem es in der Folgezeit zwischen B und C zu erheblichen persönlichen Differenzen gekommen war, lösten sie im Januar 1992 durch einen notariellen Erbauseinandersetzungsvertrag die Erbengemeinschaft rückwirkend zum 31.12.1990 auf. C erhielt, wie im Testament vorgesehen, das Hotel, übernahm von den darauf lastenden Verbindlichkeiten jedoch nur einen Teilbetrag von 160.000 DM. Die restlichen Verbindlichkeiten (293.456 DM) übernahm B. Er erhielt den übrigen im Testament genannten Grundbesitz einschließlich der darauf lastenden Verbindlichkeiten. B beantragte vergeblich, den Betrag der übernommenen Verbindlichkeiten als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abzuziehen. Das Finanzamt berücksichtigte den Betrag im Einkommensteuerbescheid zunächst als Anschaffungskosten der auf B übergegangenen Grundstücke. Im Einspruchsbescheid machte das Finanzamt hingegen die gewährte AfA rückgängig und ließ den Betrag unberücksichtigt. Die Klage des B hatte keinen Erfolg, wohl aber (jedenfalls z. T.) seine Revision.
Entscheidung
Der BFH sieht in den Aufwendungen Anschaffungskosten i. S. des § 255 Abs. 2 HGB. Bei einer Erbengemeinschaft können Aufwendungen eines Miterben Anschaffungskosten sein, wenn er z. B. die Erbanteile aller übrigen Miterben erwirbt. Wird das Gemeinschaftsvermögen hingegen im Wege der Auseinandersetzung unter die Miterben verteilt, liegt in der Erfüllung des erbrechtlichen Auseinandersetzungsanspruchs kein Anschaffungsgeschäft. Vielmehr führt dann der übernehmende Miterbe die Anschaffungs- und Herstellungskosten des Rechtsvorgängers fort. Wie sich das dem Miterben entsprechend seiner Erbquote zugeteilte Nachlassvermögen zusammensetzt, hat keine Bedeutung. Die wertmäßige Angleichung kann auch dadurch bewirkt werden, dass der Miterbe Verbindlichkeiten der Erbengemeinschaft übernimmt; ob dabei sein rechnerischer Anteil an den Verbindlichkeiten überschritten wird, ist ebenfalls ohne Belang. Wird eine Erbengemeinschaft vor dem vom Erblasser in der Teilungsanordnung festgelegten Termin durch Realteilung aufgelöst und übernimmt ein Miterbe – wie hier B – Schulden, die auf einem für einen anderen Miterben bestimmten Grundstück lasten, bildet eine solche Schuldübernahme Anschaffungskosten, wenn sie eine Gegenleistung dafür ist, dass der übernehmende Miterbe den ihm nach der Teilungsanordnung erst zu einem späteren Zeitpunkt zugedachten Grundbesitz vorzeitig aus dem Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft in sein eigenes Vermögen überführen und darüber unbeschränkt verfügen kann. Dass B aufgrund der Teilungsanordnung einen schuldrechtlichen Anspruch auf Übertragung des Grundbesitzes zu einem späteren Zeitpunkt hatte, kann sich lediglich auf die Höhe der Anschaffungskosten auswirken: Insoweit kommen als preisbildende Faktoren u. a. die dem anderen Miterben entgehenden Einkünfte in Betracht, die dieser ohne die vorzeitige Auseinandersetzung in der Zeit bis zur planmäßigen Auflösung der Erbengemeinschaft aus der gemeinschaftlichen Vermietung der im Nachlass vorhandenen Immobilien erzielt hätte.
Hinweis
Dieser Fall mit seinen Besonderheiten einer vorzeitigen Erbauseinandersetzung bot dem BFH keinen Anlass, sich mit den Kritikern seiner Rechtsprechung auseinanderzusetzen, wonach auch die Übernahme von Verbindlichkeiten zu Anschaffungskosten führt, soweit sie die Erbquote übersteigen. So verhält es sich, wenn der Erbe von der Erbengemeinschaft mehr Gemeinschaftsvermögen erhält, als dies dem Wert seines Erbteils entspricht und er im Gegenzug Abfindungszahlungen erbringt, indem er über seine Erbquote hinaus Verbindlichkeiten der Erbengemeinschaft übernimmt (so BFH, Urteil v. 14.12.2004, IX R 23/02, BStBl 2006 II S. 296; a. A. aber BMF, Schreiben v. 30.3.2006, BStBl 2006 I S. 306). Anders der Streitfall: Hier stand die Übernahme der Verbindlichkeit nicht mit der überquotalen, sondern mit der vorzeitigen Überlassung im Zusammenhang.
Link zur Entscheidung
BFH, Urtei...