Leitsätze (amtlich)

  1. Die Anordnung einer sog. Anschlussprüfung bei Großbetrieben ist grundsätzlich rechtmäßig. Insoweit beruht § 4 Abs. 2 Satz 1 BpO 2000 auf sachgerechten Ermessenserwägungen i.S. des § 193 Abs. 1 AO 1977 (Anschluss an BFH-Urteil vom 10.4.1990, VIIIR 415/83, BStBl II1990, S. 721 = INF 1990, S. 455).
  2. Die aus der Einteilung in Größenklassen folgende unterschiedliche Prüfungshäufigkeit der verschiedenen (Klein-, Mittel- und Groß-) Betriebe verstößt nicht gegen das Gleichheitsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG).
  3. Betriebliche Eigenheiten und einkunftsabhängige Besonderheiten sind hinreichende Differenzierungsgründe für unterschiedliche Maßstäbe zur Einordnung von (hier landwirtschaftlichen) Betrieben in eine der drei prüfungsrelevanten Größenklassen.
 

Sachverhalt

Der Kläger betreibt seit 1.7.1991 ein Weingut und erzielt Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, die er nach § 4 Abs. 1 EStG ermittelt. Nachdem das Finanzamt 1997 für die Wirtschaftsjahre 1991/92, 1992/93, 1993/94 und 1994/95 eine Außenprüfung durchgeführt hatte, ordnete es am 6.6.2000 die Durchführung einer weiteren, die Wirtschaftsjahre 1995/96, 1996/97 und 1997/98 betreffenden Außenprüfung an. Das Finanzamt stützte diese Außenprüfung auf § 193 Abs. 1 AO i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 1 BpO 2000 und dem BMF-Schreiben vom 2.5.1997[1]. Unstreitig lagen die Voraussetzungen für die Einstufung des Weinguts als Großbetrieb mit einem Gewinn über 160 000 DM zum maßgebenden Stichtag vor. Das FG wies die Klage, mit der die Verfassungswidrigkeit der unterschiedlichen Größenmerkmale für land- und forstwirtschaftliche und gewerbliche Großbetriebe geltend gemacht wurde, ab[2]. Der BFH bestätigte die Vorentscheidung.

 

Entscheidungsgründe

  1. Der BFH hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass eine Außenprüfung bei Steuerpflichtigen, die im Prüfungszeitraum einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb unterhalten haben, nach § 193 Abs. 1 AO ohne weitere Voraussetzungen zulässig ist[3]. Dabei steht der Finanzbehörde ein Auswahlermessen zu, das sie in der für den Streitfall maßgebenden BpO 2000 dahingehend ausgeübt hat, dass Großbetriebe grundsätzlich lückenlos[4], andere Betriebe hingegen im Regelfall nur für einen Zeitraum von drei Jahren geprüft werden[5]. Diese Ermessensbindung ist auch im gerichtlichen Verfahren ebenso zu beachten, wie die hiernach erforderliche Einordnung der Betriebe in Größenklassen[6], die die entsprechend § 3 Satz 2 BpO 2000 für den im Streitfall maßgebenden, ab 1.1.1998 laufenden 16. Prüfungsturnus[7] festgelegt wurden[8].

Der VIII. Senat des BFH hat die Regelung in § 4 Abs. 2 BpO (St) - nunmehr BpO - als ermessensfehlerfrei mit der Begründung beurteilt, es sei sachgerecht, für Großbetriebe generell eine sog. Anschlussprüfung vorzusehen, weil bei ihnen erfahrungsgemäß die steuerlich erheblichen Verhältnisse so umfangreich und schwierig zu überschauen sind, dass sie ohne eine Außenprüfung durch den Innendienst allein nicht wirksam kontrolliert und zutreffend besteuert werden können[9]. Dieser Rechtsprechung stimmt der erkennende Senat zu[10].

  1. Entgegen der Ansicht des Klägers verstößt die aus der Einteilung in Größenklassen folgende unterschiedliche Prüfungshäufigkeit der verschiedenen Betriebe auch nicht gegen das Gleichheitsgebot in Art. 3 Abs. 1 GG. Dies hat der BFH mehrfach entschieden[11]. Der vom Kläger herangezogene Vergleich mit Handelsund Fertigungsbetrieben kann einen Anspruch, von einer sog. Anschlussprüfung verschont zu werden, nicht begründen. Denn dies hieße, die bestehenden Unterschiede zwischen den Einkunftsarten, den Einkünften aus Gewerbebetrieb und den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, zu ignorieren. Mit der Aufstellung unterschiedlicher Kriterien für die Einordnung von Klein-, Mittel- und Großbetrieben hat die Finanzbehörde in Ausübung ihres Ermessens lediglich die Differenzierungen nachvollzogen, von denen auch der Gesetzgeber in vielfältiger Weise bei den betrieblichen Einkunftsarten ausgeht. Das FG hat daher zu Recht ausgeführt, dass es im Rahmen einer sachgerechten Ermessensausübung gemäß § 193 Abs. 1 AO i.V.m. § 4 BpO 2000 zulässig ist, die Einordnung eines Betriebes in die verschiedenen Größenklassen von der Einkunftsart abhängig zu machen. Danach ist ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb bereits bei einem erheblich niedrigeren Gewinn als ein Gewerbebetrieb als Großbetrieb zu behandeln, weil eine den Handels- oder Fertigungsbetrieben entsprechende Gewinngrenze praktisch zur Folge hätte, dass es kaum land- und forstwirtschaftliche Großbetriebe gäbe. Andererseits gibt es für land- und forstwirtschaftliche Betriebe eine Wirtschaftswertgrenze, nicht aber eine Abhängigkeit von Umsätzen. Nicht anders verfährt die Finanzbehörde bei der Bestimmung der Größenklassen innerhalb der Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die - bislang unangefochten - je nach Gegenstand des Unternehmens von Umsatzerlösen, unterschiedlichen Gewinngrößen, dem Umfang des Aktivvermögens oder der Höhe der Jahresprämieneinnahmen abhängen.
 

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