Leitsatz
Dem Großen Senat wird folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:
Können Aufwendungen für die Hin- und Rückreise bei gemischt beruflich (betrieblich) und privat veranlassten Reisen in abziehbare Werbungskosten (Betriebsausgaben) und nicht abziehbare Aufwendungen für die private Lebensführung nach Maßgabe der beruflich (betrieblich) und privat veranlassten Zeitanteile der Reise aufgeteilt werden, wenn die beruflich (betrieblich) veranlassten Zeitanteile feststehen und nicht von untergeordneter Bedeutung sind?
Sachverhalt
Ein früher in den USA berufstätiger Arbeitnehmer war bis Mitte des Streitjahrs 1994 im Bereich Informationstechnologie, danach als EDV-Controller in einem Versicherungsunternehmen angestellt. Wie in den Vorjahren nahm er an der Computer-Messe Comdex teil, die von Montag, dem 14.11., 10.30 Uhr, bis Donnerstag, den 17.11., 14.30 Uhr, dauerte und tagsüber Fachveranstaltungen mit anschließenden Diskussionen bot. Hierfür flog er am 11.11. von Köln nach Las Vegas, wo er gegen 16.30 Uhr eintraf, und am 19.11. um 13.00 Uhr von Las Vegas nach Köln, wo er am 20.11. gegen 13.50 Uhr eintraf. Für die Reise musste er Urlaub in Anspruch nehmen und erhielt auch keinen Zuschuss vom Arbeitgeber. Von den als Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen für Flüge (6331 DM), Tagungsgebühren (880 DM), Verpflegungsmehraufwand (567 DM) und Übernachtung (2281 DM) erkannte das Finanzamt lediglich die Tagungsgebühren an. Auf die Klage berücksichtigte das FG weitere 6393 DM, nämlich neben den Tagungsgebühren (880 DM) vier Übernachtungen (1521 DM), fünf Tage Verpflegungsmehraufwendungen (375 DM) und 4/7 der Flugkosten (3618 DM). Auf die Revision des Arbeitnehmers will der BFH dem FG bis auf die doppelt berücksichtigten Tagungsgebühren folgen, sieht sich daran aber hinsichtlich der Transferkosten (3618 DM) durch divergierende Rechtsprechung gehindert, weshalb die Frage der Aufteilbarkeit dieser Kosten dem Großen Senat zur Entscheidung vorgelegt wurde.
Entscheidung
Der BFH legt zunächst die Maßstäbe dar, an denen gemessen wird, ob eine Reise im Wesentlichen ganz als beruflich oder ganz als privat oder als gemischt veranlasst anzusehen ist und wann aus § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG ein Aufteilungs- und Abzugsverbot abgeleitet bzw. nicht abgeleitet wird. Im Streitfall geht der BFH im Anschluss an die Feststellungen des FG, die er als vertretbare Würdigungen ansieht, davon aus, dass eine gemischt veranlasste Reise vorliegt und die jeweiligen Anteile nach Zeitanteilen trennbar sind. Für einen solchen Fall möchte der vorlegende Senat nicht an der bisherigen Auslegung des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG festhalten. Diese entspreche weder einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit mit folgerichtiger Umsetzung des objektiven Nettoprinzips, noch dem Zweck des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG, nur privaten, nicht aber beruflichen Aufwand vom Abzug auszuschließen. Dies wird im Einzelnen erläutert.
Praxishinweis
Es kann damit gerechnet werden, dass die Verwaltung die vorgelegte Rechtsfrage in den Katalog der Musterverfahren aufnimmt, bei denen die Steuerfestsetzung vorläufig ergeht und Rechtsbehelfsverfahren zum Ruhen gebracht werden können. Bis dahin müssen Betroffene ihre Verfahren selbst durch Rechtsbehelfe und Anträge auf Ruhen des Verfahrens offen halten.
Link zur Entscheidung
BFH-Beschluss vom 20.7.2006, VI R 94/01