Leitsatz

Ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten liegt vor, wenn die Besteuerung von Zuflüssen aus einer Kapitalgesellschaft als Einkünfte aus Kapitalvermögen im Ergebnis dadurch vermieden wird, dass

  • zunächst das Entstehen einer wesentlichen Beteiligung dadurch verhindert wird, dass ein Aktionär (Vater) einen Teil der Aktien auf seine Kinder überträgt,
  • die drei Hauptaktionäre der AG, nämlich der Vater und zwei Schwäger, über Jahre hinweg keine Dividendenausschüttungen beschließen und sich stattdessen die freien Mittel der Gesellschaft in Form von Darlehen zukommen lassen,
  • die Aktien sodann an eine vom Vater beherrschte Personengesellschaft gegen Übernahme seiner Darlehensverpflichtung gegenüber der AG veräußert werden und
  • die AG nach Veräußerung die Ausschüttung einer "Superdividende" in Höhe der den Gesellschaftern gewährten Darlehen beschließt, die bei der Erwerberin mit den übernommenen Darlehen verrechnet wird, zudem zur Wertlosigkeit der Aktien führt und es deshalb der Erwerberin ermöglicht, eine ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibung vorzunehmen.

Das gilt jedenfalls dann, wenn nicht erkennbar ist, welche Vorteile die erwerbende Personengesellschaft aus der Transaktion ziehen könnte.

 

Sachverhalt

Eine GmbH & Co. KG (KG), deren Gegenstand als "geschäftsleitende Holding Handel mit Kraftfahrzeugen" ist, hält mehrere Beteiligungen an Unternehmen. Komplementär ist die J-GmbH mit einer Einlage von 0 DM, einziger Kommanditist ist A.J. Die in den Streitjahren erzielten Umsatzerlöse beruhen allein auf der Vermietung von Grundbesitz. Ein aktives Handelsgeschäft wurde nicht betrieben. 1995 erwarb die KG von A.J. 14 Anteile und von dessen drei Kindern je 2 Anteile an der W-AG, Schweiz. Die Kaufpreise wurden teilweise entrichtet, indem sie die Darlehensverbindlichkeiten des A.J. gegenüber der W-AG übernahm. Im Übrigen gewährten die Verkäufer der Klägerin zur Tilgung der Kaufpreise verzinsliche Darlehen. Der Erwerb entsprach einem Drittel der gesamten Aktien der W-AG. Die nicht von der KG erworbenen Anteile gehörten Schwägern von A.J. und deren Kindern. Gegenstand der W-AG war der Vertrieb elektronischer Geräte, die ihre deutsche Schwestergesellschaft, die W-GmbH & Co. KG, herstellte.

Im Wirtschaftsjahr 1992/93 stellte die W-AG ihren aktiven Geschäftsbetrieb ein, nachdem ihre Schwestergesellschaft in Konkurs gegangen war. Die Bilanz der W-AG zum 28.2.1995 wies nicht nur die Darlehensforderungen gegenüber A.J. (304 140 sfr) aus. Auch gegenüber den beiden anderen Hauptaktionären hatte die W-AG Darlehensforderungen. Die Gesellschafterversammlung der W-AG vom 3.5.1995 beschloss die Ausschüttung einer "Superdividende" Die Dividende wurde in der Weise ausgeschüttet, dass sie – nach Abzug der schweizerischen Quellensteuer – mit den gegenüber A.J. bestehenden (Darlehens-)Forderungen der W-AG verrechnet wurde. Im Anschluss an die Ausschüttung der Dividende nahm die Klägerin zwei Teilwertabschreibungen vor. In der Bilanz zum 31.10.1995 minderte sie den Wert der Beteiligung an der W-AG (20 Aktien) um 506 041 DM auf 83 137 DM. In der Bilanz zum 31.10.1996 schrieb sie die Beteiligung auf 1 DM ab.

Den entsprechenden Gewinnfeststellungserklärungen folgte das Finanzamt nicht; es nahm einen Gestaltungsmissbrauch an und ließ sämtliche Vorgänge im Zusammenhang mit der Anschaffung der Aktien unberücksichtigt, so dass sich der Gewinn dadurch erhöhte. Die dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Hiergegen wendet sich die Revision.

 

Entscheidung

Gegenstand des Rechtsstreits ist eine Anteilsrotation, bei der die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft ihre Anteile verkaufen, um den Wert des Gesellschaftsvermögens nicht im Wege einer steuerpflichtigen Dividende, sondern als steuerfreien Veräußerungsgewinn zu vereinnahmen; sie ist im Streitfall – so der BFH – rechtsmissbräuchlich. Der hier von der KG, ihrem Kommanditisten und seinen Kindern gewählte Weg war zur Erreichung des gewollten wirtschaftlichen Ziels – ihren Anteil am Vermögen der W-AG zu erlangen – im Vergleich mit der gleichermaßen in Betracht kommenden Liquidation deshalb ungewöhnlich, weil A.J. ebenso wie seine beiden Schwäger, die mit ihm zusammen Hauptgesellschafter der W-AG waren, die Gewinne der Gesellschaft über Jahre hin nicht hatten ausschütten lassen, sondern die durch die Gewinne erzielten freien Geldmittel als Darlehen vereinnahmt hatte. Wenn sie dann nicht etwa die Darlehen mit Gewinnausschüttungen verrechneten, sondern ihre Aktien gegen Übernahme der Darlehensverbindlichkeiten veräußerten, so war dieser Weg nach Auffassung des BFH ungewöhnlich, weil sich die Transaktion zwischen der Klägerin, A.J. und dessen Kindern als bloßes "Hin und Her" darstellt[1].

Die gewählte Gestaltung sollte der Steuerminderung dienen. Das folgt daraus, dass die drei miteinander verwandten bzw. verschwägerten Hauptgesellschafter der W-AG ihre Kinder in der Weise an der Gesellschaft beteiligt hatten, dass sie keine wesentliche Beteiligung i. S. des § 17 EStG mehr besaßen, dass sie in der Folge...

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